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Städel Museum

SCHÖNHEIT UND REVOLUTION. KLASSIZISMUS 1770–1820

Städel Museum

In der darauf folgenden Sektion sind die rebellischen Werke einer Gruppe von Künstlern zu sehen, die sich ebenfalls in Rom aufhielten und dem Winckelmann’schen Credo der „edlen Einfalt und stillen Größe“ nicht folgen wollten – sich aber dennoch intensiv mit den antiken Vorlagen beschäftigten. Ihr Ziel war es, den Betrachter durch die Dramatisierung der Darstellung zu bannen; dabei nahmen sie auch Überzeichnung und Verzerrung in Kauf. Der Engländer Thomas Banks (1735–1805) gehört mit seinem Fallenden Titan (1786, Royal Academy of Arts, London) dieser Gruppe ebenso an wie der Schweizer Johann Heinrich Füssli (1741– 1825) mit dem aus dem Kunsthaus Zürich stammenden Werk Achill opfert sein Haar am Scheiterhaufen des Patroklos (1800–1805).

Zu einer starken Beruhigung der Motive führten anschließend die gezeigten Arbeiten Antonio Canovas (1757–1822) sowie Jacques-Louis Davids (1748–1825) und seiner Schüler. Deren Werke zeugen ebenso von formaler Strenge wie bewusst pointierter Dramaturgie. Sowohl der Bildhauer Canova als auch der Maler David erarbeiteten sich die antiken Themen und Haltungen mit völlig neuen bildnerischen und ikonografischen Mitteln, welche darauf folgende Künstlergenerationen in ganz Europa prägen sollten.

Im zweiten Stockwerk des Ausstellungshauses wird erfahrbar, wie die neue Ikonografie sich auch durch die Bezugnahme auf die politische Gegenwart, besonders natürlich auf die Französische Revolution, entwickelte. Als ersten Märtyrer der Revolution verewigte Jacques-Louis David zum Beispiel den toten Marat, der in der Ausstellung in einer Version von David und seiner Werkstatt (Musée national des châteaux de Versailles et de Trianon, Versailles) sowie von Joseph Roques (1793, Musée des Augustins, Toulouse) zu sehen ist.

Das auch auf formaler Ebene beeindruckende revolutionäre Potenzial der jungen Kunst zeigt im Folgeraum: Überraschend abstrahierend sind die raffiniert vereinfachten Szenen, die beispielsweise der Bildhauer John Flaxman (1755–1826) in Zeichnungen und Stichen zur Anschauung bringt. Ihre Reduktion auf die Kontur sollte in ganz Europa für Furore sorgen.

Der darauf folgende Raum thematisiert den langsamen wie tiefgreifenden Wandel in der Auseinandersetzung mit der Antike, der sich in den Jahren um 1800 vollzog. Immer deutlicher wurde die Unerreichbarkeit des antiken Ideals wahrgenommen. Für die Kunst folgte daraus eine zunehmende Loslösung von deren Normen, dem Betrachter wiederum wurden größere Interpretationsspielräume zugestanden. Auch die Verinnerlichung der Protagonisten hielt verstärkt Einzug ins Bildgeschehen. Entsprechend werden Spitzenwerke wie Bertel Thorvaldsens Ganymed (1819–1821, Thorvaldsens Museum, Kopenhagen) heute als „romantischer Klassizismus“ bezeichnet.

Im abschließenden Raum der Ausstellung wird die Mannigfaltigkeit der Tendenzen, die sich in den ersten Jahrzehnten nach 1800 aus dem Klassizismus heraus entwickelten, immer deutlicher sichtbar. Bei aller Diskrepanz der künstlerischen Entscheidungen fanden sie sich in der Suche nach neuen Wegen aus dem Klassizismus vereint. Die Vorstellung der Antike wird zunehmend distanziert betrachtet, eigenwillig transformiert und von immer mehr Künstlern des 19. Jahrhunderts weitgehend ignoriert. Insgesamt präsentiert die Ausstellung den Klassizismus als unvermutet vielfältige und lebendige Stilepoche, deren unbedingter Wunsch nach Erneuerung und Verbesserung durch den Rückbezug auf die Antike zum Nährboden für die Romantik wurde.

Kuratoren: Dr. Eva Mongi-Vollmer (Städel Museum), Dr. Maraike Bückling (Liebieghaus Skulpturensammlung) Ausstellungsarchitektur: Michiko Bach, Daniel Dolder Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher von Dr. Maraike Bückling und Dr. Eva Mongi-Vollmer herausgegebener Katalog mit Beiträgen von Sergej Androsov, David Bindman, Maraike Bückling, Werner Busch, Christian M. Geyer, Alexander Kaczmarczyk, Thomas Kirchner, Eva Mongi-Vollmer, Johannes Myssok und Marjorie Trusted, deutsch, 360 Seiten, 39,90 Euro.

Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt
Ausstellungsdauer: 20. Februar bis 26. Mai 2013
Pressevorbesichtigung: Dienstag, 19. Februar 2013, 11.00 Uhr








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