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willi baumeist

willi baumeister: gilgamesch

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»Meine Illustrationen gelangten in die Nähe der alten Reliefs an den zyklopischen Mauern, sie gelangten in die Nähe der Keilschrift und Hieroglyphen, an die Symbolzeichen, an die Riten und Weihen, die ihre Geheimnisse bewahren.« Willi Baumeister

Willi Baumeister (1889–1955), von den Nationalsozialisten mit Ausstellungsverbot belegt und als »entartet« verfemt, verließ Stuttgart 1943. Er fand mit seiner Familie einen Zufluchtsort in Urach an der Schwäbischen Alb, wo er bis Frühjahr 1945 fünf Illustrationsfolgen schuf: »Gilgamesch«, »Saul«, »Esther«, »Salome« und »Tempest«, die insgesamt rund 500 Zeichnungen umfassten. Die 64 Zeichnungen zu »Gilgamesch«, die Willi Baumeister aus über 200 zu diesem Thema letztlich auswählte, wurden 1980 von den »Freunden der Staatsgalerie Stuttgart« erworben. 

»Gilgamesch« ist das älteste Epos der Menschheit, dessen Ursprung etwa auf die Zeit um 2600 v. Chr. im sumerisch-akkadischen Kulturkreis zurückreicht. Ursprünglich wurde das Epos in einzelnen Liedern mündlich überliefert. In der Bibliothek des Assyrerkönigs Assurbanipal im einstigen Ninive hat sich eine fragmentarische Fassung erhalten, die aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. stammt. Das Gilgamesch-Epos ist darin in Keilschrift auf zwölf Tontafeln mit Ausschmückungen der Nacherzähler überliefert. Willi Baumeister verwendete für seine Zeichnungen als Textvorlage die Ausgabe von Georg E. Burckhardt, Gilgamesch. Eine Erzählung aus dem Orient, Insel-Verlag, Leipzig o.J. [1916].

Das Epos erzählt in zwei Teilen von den Taten des großen Königs von Uruk, Gilgamesch, und dem »Tiermensch« Enkidu. Mit ihren gemeinsamen Heldentaten ziehen sie den Zorn der Götter auf sich: Ihr Spott über die Liebesgöttin Ischtar wird mit dem Tod des Enkidu bestraft. Gilgamesch begibt sich, von Todesangst geplagt, auf die Suche nach dem ewigen Leben. Doch der Sonnengott Schamasch ruft ihm zu: »Gilgamesch, wohin läufst du? Das Leben, das du suchst, findest du nicht!« Das Wunderkraut, das Gilgamesch ewiges Leben verleihen soll, wird ihm von einer Schlange gestohlen. Ihm wird die Hoffnungslosigkeit seines Verlangens bewusst: Auch Gilgamesch kann das Grundproblem der Endlichkeit der menschlichen Existenz nicht lösen. Zurückgekehrt nach Uruk stirbt er in der schimmernden Halle seines Palastes.

Neben seinem Interesse an Altertumswissenschaft und Orientalistik mögen Willi Baumeister auch persönliche Erfahrungen wie die Nachricht vom Tod seines Freundes Oskar Schlemmer beeinflusst haben, das »Gilgamesch«-Epos mit der Geschichte des ältesten aller gescheiterten Helden zu wählen. Seine unendliche Phantasie in der bildlichen Umsetzung ist einzigartig und diente ihm wohl auch zum Überleben in den Kriegsjahren. In Begleitung zur Grossen Landesausstellung »Hans Holbein d. Ä.: Die Graue Passion in ihrer Zeit« kann auch »Gilgamesch« als eine Art »Passion« des suchenden Helden aufgefasst werden.

Willi Baumeister wählte bei vielen Blättern der »Gilgamesch«-Folge die Frottage. Er rieb auf das, teilweise auch farbige, Papier unterschiedlich strukturierte Untergründe, wie geriffelte, ornamentierte oder von Drahtmaschen durchzogene Glasscheiben, Holzmaserungen, noppige Textilien, derbe Pappe u.a., mit Kohle oder Kreide durch. Dann arbeitete er weiter mit Strichzeichnungen, wobei er das matte Schwarz der Kohle und das glänzende Dunkel der Fettkreide einzeln oder miteinander auslotete, oder er radierte die gewonnenen Strukturen partienweise wieder aus. Durch Wischen entstanden helle Streifen, die im Kontrast zu den schwarzen Flächen eine geheimnisvolle Licht-Schatten-Wirkung erzielten und an archaische Reliefs oder Felsmalereien erinnerten.

Die »Freunde der Staatsgalerie Stuttgart« geben anlässlich der Ausstellung einen Katalog heraus, der das komplette Epos in Dialog mit Willi Baumeisters Illustrationen setzt. 120 Seite, 80 Abbildungen 29,- Euro (für Mitglieder der »Freunde der Staatsgalerie Stuttgart« 25,- Euro).

Kuratorin: Dr. Corinna Höper








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  • Gilgamesch, 1943 Blatt 15. Sein Herz ist bedrängt und flattert wie ein Vogel des Himmels. Nach der Steppe verlangt er und nach den Tieren des Feldes. Kohle, gewischt, radiert, Ölkreide in Schwarz, durchgerieben, fixiert auf braunem Ingres-Bütten Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
    Gilgamesch, 1943 Blatt 15. Sein Herz ist bedrängt und flattert wie ein Vogel des Himmels. Nach der Steppe verlangt er und nach den Tieren des Feldes. Kohle, gewischt, radiert, Ölkreide in Schwarz, durchgerieben, fixiert auf braunem Ingres-Bütten Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
    Staatsgalerie Stuttgart
  • Gilgamesch, 1943 Blatt 24. Mein Freund, wieder hatte ich einen Traum, und der Traum, den ich sah, war schrecklich: Es schrie der Himmel. Antwort brüllte die Erde, [dunkle Wetterwolken zogen herbei] ein Blitz leuchtete auf. Kohle, gewischt, Ölkreide in Schwarz, fixiert auf elfenbeinfarbenem Zeichenkarton Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
    Gilgamesch, 1943 Blatt 24. Mein Freund, wieder hatte ich einen Traum, und der Traum, den ich sah, war schrecklich: Es schrie der Himmel. Antwort brüllte die Erde, [dunkle Wetterwolken zogen herbei] ein Blitz leuchtete auf. Kohle, gewischt, Ölkreide in Schwarz, fixiert auf elfenbeinfarbenem Zeichenkarton Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
    Staatsgalerie Stuttgart
  • Willi Baumeister Gilgamesch, 1./ 2.5.–5.6./ 2.8.1943 Blatt 58: ›Ich will dir ein Geheimnis verraten, von einem verborgenen Wunderkraut will ich dir Kunde geben. Das Kraut sieht aus wie ein Stechdorn und wächst tief unten im Meere, sein Dorn ist wie ein Stachel des Stachelschweins‹ Kohle, gewischt, radiert, Ölkreide in Schwarz, durchgerieben, fixiert auf blaugrünem Ingres-Bütten 24 x 32,2 cm Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart
    Willi Baumeister Gilgamesch, 1./ 2.5.–5.6./ 2.8.1943 Blatt 58: ›Ich will dir ein Geheimnis verraten, von einem verborgenen Wunderkraut will ich dir Kunde geben. Das Kraut sieht aus wie ein Stechdorn und wächst tief unten im Meere, sein Dorn ist wie ein Stachel des Stachelschweins‹ Kohle, gewischt, radiert, Ölkreide in Schwarz, durchgerieben, fixiert auf blaugrünem Ingres-Bütten 24 x 32,2 cm Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart
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