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soldier of fortune

Rumford. Rezepte für ein besseres Bayern

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Rumford beginnt seine Reform bei den Soldaten selbst. Diese zählen zum untersten Stand der Gesellschaft. Ihnen ist das Heiraten verwehrt und die Arbeitslosigkeit garantiert sobald sie für das Militär nicht mehr einsetzbar sind. Rumford möchte aus ihnen nutzvolle und sich selbst versorgende Mitglieder der Gesellschaft machen. Er lässt Militärgärten einrichten, in denen die Soldaten zu Farmern ausgebildet werden sollen. Er gründet Militärakademien, die allen Gesellschaftsschichten bei entsprechender Begabung offen stehen. Die Behauptung, dass es sich dabei um erste Gedanken hin zum „Bürger in Uniform“ handelt, scheinen nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

Aus dem ersten dieser Militärgärten entsteht der Englische Garten. Ursprünglich war die Hirschau an der Isar – wenn nicht von dieser überschwemmt – kurfürstlicher Jagdgrund. Nun sollen Soldaten dort in kleinen Parzellen das Landwirtschaften lernen. Doch Rumford erweitert bald den Plan, vergrößert die Fläche, lässt die Auen aufwendig befestigen und schlägt dem Kurfürsten die Öffnung des Theodorparks für alle Münchner vor. Die Anlage ist nach Rumfords Vorstellungen im englischem Stile entworfen und beherbergt eine Modellfarm, die Soldatengärten, eine Baumzucht, mehrere Brücken, das unter seiner Ägide gegründete veterinärmedizinische Institut. Und einen Chinesischen Turm.

Die Pagode im chinesischen Stil war Rumford aus Kew Gardens bei London bekannt. Allerdings geht es ihm bei der Münchner Version weniger um schlichten Exotimus. Während Chinoiserien an vielen europäischen Höfen en vogue sind, bemüht Rumford die Vorbildfunktion des Kaiserpaares. Sie sollen Sinnbilder für die gute, gesunde, kenntnisreiche und vernünftige Herrschaft stiften. Das unendlich große chinesische Reich, so die Idee, konnte nur vom absolut besten Herrscher geführt werden. Während die Münchner zum ersten Mal durch ihren Englischen Garten flanieren, wird in Paris die Bastille gestürmt. Durch den Englischen Garten lernen die Münchner also nicht die Freiheit sondern die Freizeit kennen. Die Promenade und das Lustwandeln durch Natur, die nun nicht mehr nur zweckgebunden sondern auch durch ihre Schönheit Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist zuvor unbekannt. Der Blick vom Chinesischen Turm zeigt: die Stadt ist nur ein Element in der Landschaft.

Um dem Bettel Einhalt zu gebieten, der das ganze Land lähmt und in den Städten geradezu katastrophale Ausmaße annimmt, gründet Rumford das militärische Arbeitshaus in der Münchner Vorstadt Au. Das Almosensystem katholischer Prägung ist zu diesem Zeitpunkt überfordert, es hungern doch immer noch viel zu viele. Mit der Aufklärung ändert sich die Rezeption von Armut, die nun weniger als gottgegeben akzeptiert wird. Rumford möchte nicht nur Hunger stillen, er versucht sich in Arbeitsmarktpolitik. Sein Ziel ist es, den Menschen – den Kindern im Besonderen – den Nutzen und Zweck von Arbeit beizubringen. Im klinisch gereinigten Arbeitshaus finden sich vor allem Webstühle aber auch Leder oder Knopfwerkstätten. Dort werden im Auftrag der Bayerischen Regimenter Uniformen hergestellt, designt von Rumford selbst. Die Kinder werden langsam an die Arbeiten herangeführt und bekommen außerdem Schulunterricht. Für ihre Arbeit erhalten die Armen Lohn und warme Mahlzeiten.

Mehr als tausend Menschen müssen täglich im Arbeitshaus versorgt werden. Dafür entwirft Rumford neuartige Energiesparöfen und erfasst als einer der ersten den Energiegehalt von Lebensmitteln. Während er bei der Herstellung der Speisen den Einsatz von Energie, also vor allem von Feuerholz, minimieren möchte, sucht er bei den Speisenden die gewonnene Kraft zu maximieren. So erfindet er einen bahnbrechend neuen Ofen und die schnell über die Landesgrenzen hinweg bekannte Rumfordsuppe. Die Kartoffelknolle, aufgrund ihrer giftigen Wirkung beim Rohverzehr in Bayern gefürchtet, ist wichtiger Bestandteil des Rezeptes und wird nicht zuletzt durch den Einsatz Rumfords rehabilitiert.

Den Höhepunkt seiner Macht erlangt Rumford im Jahr 1796. Die französischen und die Habsburger Truppen sind in Bayern eingefallen und finden sich gleichzeitig vor den Toren Münchens ein. Vom Gasteig aus feuern Kanonen, der Rote Turm geht in Flammen auf. Kurfürst Karl Theodor hat Bayern vorzeitig verlassen und Rumford das Oberkommando übergeben. Durch eine diplomatische List bewegt er schließlich beide Armeen zum Abzug. München bleibt unversehrt.

Und dies, obwohl Rumford in einem weiteren Großprojekt die Entfestigung der Stadtmauern veranlasst hatte und den Karlsplatz anlegen ließ. Er erkannte früh, dass die Mauern ihre Schutzfunktion verloren hatten. Außerdem sie engten die Stadt in ihrem Wachstum ein. Mit der Schleifung der Gemäuer legt er den Grundstein für den heutigen inneren Ring. Es sagt gleichsam einiges über das Verhältnis der Münchner zu ihrem kurpfälzischen Regenten aus, dass der Karlsplatz als Stachus bezeichnet wird – der Name eines Wirtshauses. Um die französischen und österreichischen Truppen zum Rückzug aus Bayern zu bewegen, müssen hohe Summen gezahlt werden. Aufgrund der Kosten werden in den kommenden Jahren viele der rumfordischen Reformen zurückgedreht oder eingestellt. Das Armeninstitut schließt, da die Regimenter ihre Uniformen nicht mehr zahlen können.

Rumford entwickelt derweil nicht nur neue Soziale Ideen, sondern treibt seine wissenschaftlichen Forschungen voran. Beim Bohren von Kanonenrohren entdeckt er, dass durch Bewegung Wärme entsteht und wird damit zu einem der Begründer der Wärmelehre.






  • 31.10.2014 - 19.04.2015
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    Münchner Stadtmuseum »

    Öffnungszeiten Dienstag - Sonntag 10.00 - 18.00 Uhr Montags geschlossen

    Eintrittspreise Gesamtes Haus Dauerausstellungen Personen ab 18 Jahren 6 € 4 €



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  • James Gillray: Graf Rumford und sein Kamin. 1800. Kolorierte Radierung © Münchner Stadtmuseum
    James Gillray: Graf Rumford und sein Kamin. 1800. Kolorierte Radierung © Münchner Stadtmuseum
    Münchner Stadtmuseum
  • Anton Schütz: Das Rumfordporträt von Gainsborough. 1935. Lichtdruck. © Privatbesitz
    Anton Schütz: Das Rumfordporträt von Gainsborough. 1935. Lichtdruck. © Privatbesitz
    Münchner Stadtmuseum
  • Anonym nach Benjamin Thompson: Der Rumford-Roaster. 1803. Radierung. Weimar 1803 © Münchner Stadtmuseum
    Anonym nach Benjamin Thompson: Der Rumford-Roaster. 1803. Radierung. Weimar 1803 © Münchner Stadtmuseum
    Münchner Stadtmuseum