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"Herbarium. Wilhelm Weimar. Die Sammlung Fotografie im Kontext"

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Wilhelm Weimars fotografisches Herbarium entsteht um die Jahrhundertwende und vereint den geschärften Blick der botanischen Wissenschaft mit jenem für ästhetische Komposition. Vor neutralem Hintergrund lichtet der Fotograf Blüten, Blätter und Zweige ab, stets bemüht um eine ansprechende Bildgestaltung und eine wahrheitsgetreue Übertragung der Formen und Farbwerte der Natur. Seine Aufnahmen entstehen in Rahmen kunstgewerblicher Gestaltungslehre, die zu dieser Zeit auf der Suche nach neuen Schmuckformen auf die Strukturen und den Aufbau der Natur zurückgreift. Weimar (1857-1917) rückt jedoch die starre, tektonische Form der Pflanzen in den Hintergrund und vermittelt einen Eindruck von ihrer organischem Lebendigkeit und Dynamik. Seine Arbeiten vereinen botanisches Interesse, die Tradition des kunstgewerblichen Vorlagenwerks und das erwachende Interesse am autonomen fotografischen Bild, das über den Status des Hilfsmediums hinausgeht. Die Ausstellung gibt mit rund 40 Arbeiten Einblick in einen bisher gänzlich unbekannten und bedeutenden Bestand aus dem Werk Wilhelm Weimars und setzt ihn in Bezug zu Pflanzenfotografien von Constant Alexandre Famin (1827-1888), der Gebrüder Alinari (aktiv 1854 - 1890) sowie einer Vorlagenmappe für Kunstgewerbe des Verlegers Martin Gerlach (1846-1918), die ebenfalls gezeigt werden.

Die mehr als 250 Pflanzenbilder, die sich heute in der Sammlung Fotografie und Neue Medien des MKG befinden, fertigt Weimar zwischen 1890 und 1906. In seinem Bestreben, ein getreues Abbild von der Natur zu schaffen, nutzt er ein mechanisches Bildverfahren und verzichtet auf retuschierende Eingriffe als „verschönernde Zwischenhand“. Besondere Faszination bergen die hauchfeinen Blätter, die Weimar aufwendig bei durchscheinendem Tageslicht aufnimmt, um ihren inneren Aufbau zu beleuchten. Diese Fotografien werden für das morphologische Studium, die Struktur- und Formlehre der Biologie, sehr geschätzt und 1913 sogar von der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte prämiert. Den Hauptteil seiner Arbeiten bilden Porträts einzelner Blumen vor neutralem Hintergrund. Struppige Distelblüten und knorriges Astwerk sind weitere Motive seines Werkes. Die abgebildeten Pflanzen heben sich in Anlehnung an die japanische Formfindung wie dunkle Tusche vom weißen Hintergrund ab und lassen den grafischen Einfluss in der Fotografie des gelernten Graveurs erkennen.

Durch seine Aufnahmen macht Weimar es möglich, die empfindlichen Pflanzenoriginale durch Abbildungen zu ersetzen und diese zu einem fotografischen Herbarium zusammenzustellen, das für die kunstgewerbliche Lehre von großem Nutzen ist. Der konventionellen Formen des historistischen Ornaments in Architektur und Kunsthandwerk überdrüssig suchen Kunstgewerbemuseen und Gewerbeschulen Ende des 19. Jahrhunderts nach Vorbildern für eine neue, aus der direkten Naturbeobachtung gewonnene Gestaltung. In diesem Zusammenhang steht auch das 1893 herausgegebene umfangreiche Vorlagenwerk „Festons und decorative Gruppen“ des Verlegers Martin Gerlach, welches in der Ausstellung zu sehen ist. Ebenfalls reiht Weimar sich in die Tradition der Künstlervorlagen, der sogenannten „Etudes après nature“ ein, wie die Gegenüberstellung mit frühen Pflanzenfotografien Famins und der Alinaris zeigt. 1901 veröffentlicht er seinen Bildband „Blumen-Aufnahmen nach der Natur photographiert“.

Wilhelm Weimar im MKG
Der Gründungsdirektor des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG), Justus Brinckmann, stellt Weimar 1883 zur Dokumentation der Sammlungsbestände ein. Im Rahmen dieser Arbeit beschäftigt sich der kunstgewerbliche Zeichner mit Techniken der fotografischen Reproduktion und wendet sie bald professionell an. Er erforscht die Geschichte des Mediums und setzt sich dafür ein, dass im MKG auch eine Sammlung fotografischer Bilder und Objekte angelegt wird. Der 1894 von Brinckmann veröffentlichte „Führer durch die Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe“ wird aufgrund seiner zahlreichen materialgetreuen Abbildungen schnell ein bedeutsames Grundlagenwerk für das Kunstgewerbe. Sowohl der Großteil der fein gearbeiteten Zeichnungen, als auch die fotografischen Reproduktionen stammen aus der Hand Wilhelm Weimars. Darüber hinaus nimmt er für Brinckmanns Denkmalarchiv Hamburger Architektur und Interieurs auf. Ein großer Teil dieser Aufnahmen befindet sich heute im Hamburg Museum. Sein breites fotografisches Wissen gibt Weimar auch in externen Vorträgen und an der Gewerbeschule weiter, die sich zu dieser Zeit das Gebäude mit dem MKG teilt. Im Naturwissenschaftlichen Verein Hamburg referiert er unter anderem über seine Aufnahmen von Pflanzen und Blättern. Weimars anfängliche Anstellung als Zeichner wird schon bald in eine Assistentenstelle umgeschrieben und 1913 wird ihm schließlich – auf Initiative Brinckmanns – der Professorentitel verliehen. Zudem setzt sich Weimar für eine Neubewertung der Fotografie als historisches und künstlerisches Medium ein. Seine umfassende Publikation „Die Daguerreotypie in Hamburg 1839-1860“, widmete er 1915 posthum seinem Förderer Justus Brinckmann.






  • 03.02.2015 - 19.04.2015
    Ausstellung »

    Öffnungszeiten: Di –So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
    Eintrittspreise: 10 € / 7 €, Do ab 17 Uhr 7 €, bis 17 Jahre frei



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  • Wilhelm Weimar, Tuberose, Hamburg, 1900, Kollodiumpapier, 23,2 x 15 cm, ©
    Wilhelm Weimar, Tuberose, Hamburg, 1900, Kollodiumpapier, 23,2 x 15 cm, ©
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Wilhelm Weimar, Schleedorn mit Flechten bewachsen, Hamburg, 1902, Silbergelatine-Abzug, 35,3 x 48,4 cm, ©
    Wilhelm Weimar, Schleedorn mit Flechten bewachsen, Hamburg, 1902, Silbergelatine-Abzug, 35,3 x 48,4 cm, ©
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Wilhelm Weimar, Pflanze, Hamburg, 1901, Silbergelatine-Abzug, 47 x 35,8 cm, ©
    Wilhelm Weimar, Pflanze, Hamburg, 1901, Silbergelatine-Abzug, 47 x 35,8 cm, ©
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Wilhelm Weimar, Akelei, Hamburg, 1896-1901, Kollodiumpapier, 15,6 x 22,9 cm, ©
    Wilhelm Weimar, Akelei, Hamburg, 1896-1901, Kollodiumpapier, 15,6 x 22,9 cm, ©
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg