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Monarchie

Mythos Galizien

Monarchie

Galizien war fast so groß wie das heutige Österreich, die Hauptstadt Lemberg um 1900 die viertgrößte Stadt Österreich-Ungarns. Heute weiß man kaum noch, wo Galizien einst lag. Doch immer noch ist es ein Raum, der Imaginationen auslöst: als Inbegriff weltverlorener Abgeschiedenheit, als Kerngebiet des Ostjudentums, als multikulturelles Armenhaus der Monarchie.

Joseph Roth, der selbst aus Brody stammte, sprach von einem „Zwischenreich“. Heute gehört der Westteil zu Polen, Ostgalizien liegt in der Ukraine. Politik und Krieg haben der Frage nach der europäischen Identität der Region Aktualität gegeben. Entstanden ist Galizien als künstliches Gebilde in Folge europäischer Machtpolitik: 1772 fiel nach der Teilung Polens ein Gebiet an Österreich, dem man den Namen „Galizien“ gab – für Joseph II. ein zu „zivilisierendes“ Territorium, das Bodenschätze und Rekruten lieferte. Galizien war von ethnoreligiöser Vielfalt geprägt: Man sprach Polnisch, Ukrainisch und Jiddisch, man war römisch-katholisch, jüdisch und griechisch-katholisch.

Erstmals gilt der Blick den divergierenden polnischen, ukrainischen, österreichischen und jüdischen Perspektiven. Diese werden mit historischen Fakten konfrontiert. Dem Mythos Armut und Rückständigkeit stand der Mythos Fortschritt gegenüber. Um 1900 wurde Galizien durch seine großen Ölvorkommen zum „österreichischen Texas“. Nach der Teilautonomie von 1867 entstand der Mythos vom „guten Kaiser“ in Wien. Galizien als multiethnisches Arkadien? Zugleich nahmen aber die sozialen und nationalen Spannungen zu. Ein Abschnitt widmet sich „Galizien in Wien“: Ab 1880 strömten jüdische Migranten – darunter Künstler und Intellektuelle – in die Reichshauptstadt. „Galizien nach Galizien“ heißt das Schlusskapitel: Mit dem Zerfall der Monarchie verschwand Galizien 1918 von der Landkarte, doch als Mythos feierte es nach 1989 ein Comeback. Die Ausstellung, die in Kooperation mit International Cultural Centre in Krakau entstand, war dort von 9. Oktober 2014 bis 8. März 2015 zu sehen.

Kronland und „Kolonie“
Galizien gehörte im Mittelalter als Teil des Fürstentums Halytsch-Wolodymyr für kurze Zeit zur ungarischen Krone, woraus 500 Jahre später Kaiserin Maria Theresia ihren Anspruch auf das Land untermauerte. Von der lateinischen Bezeichnung des mittelalterlichen Fürstentums leitete sich auch der Name des neues Kronlandes ab: „Galizien und Lodomerien“, wobei Lodomerien, das ehemalige Wolodymyr, niemals Teil Galiziens war. Hingegen wurden 1775 Teile des Fürstentums Moldau, das vom osmanischen Reich an Österreich abgetreten wurde, unter dem Namen Bukowina Galizien angegliedert (mit Czernowitz als Hauptstadt wurde die Bukowina 1849 zum eigenen Grönland).

Galizien erwies sich für die Österreicher bald als ethnisch, kulturell, religiös und sprachlich äußerst komplexes Gebiet. Die Straßenverbindungen zwischen Wien und dem Kronland waren schlecht, eine loyale Beamtenschaft musste von außen geholt werden, vorzugsweise aus den tschechisch-sprachigen Gebieten. Militärisch war das neue Territorium kaum zu verteidigen, da es durch die künstlichen Grenzziehungen über keine natürlichen Barrieren verfügte. Für den Kolonialismus typische Praktiken, wie das gegeneinander Ausspielen der verschiedenen Bevölkerungs- und Religions- gruppen, wurden angewendet. Um die Position der polnischen Elite zu schwächen, wurde anfangs die griechisch-katholische Kirche, der vor allem die Ruthenen ange- hörten, gegenüber der römisch-katholischen bevorzugt.

Den Juden gegenüber trat die neue Staatsmacht zwiespältig auf: 1782 wurde Religionsfreiheit zugesichert, aber beim Militärdienst nahm man auf die Einhaltung der Reinheitsgebote keine Rücksicht. Gegen die Orthodoxie und den mystischen Chassidismus unterstützte Österreich die „Haskala“, die jüdische Aufklärung.

Polnischer Widerstand und Autonomie
Bereits zu Beginn der österreichischen Besetzung formierte sich Widerstand im polnischen Adel. Im Februar 1846 schließlich kam es zu jenen blutigen Ereignissen, die als „Galizische Bauernrevolte“ oder als „Galizisches Gemetzel“ bezeichnet werden: Bauern revoltierten – wahrscheinlich von Österreich dazu aufgestachelt – gegen ihre polnischen Gutsherren, tausend Angehörige der polnischen Aristokratie wurden getötet. Erst nachdem die Situation außer Kontrolle geraten war, griff die österreichische Armee ein.

Kurze Zeit gelang es den Polen in Krakau, die dort stationierten österreichischen Truppen zu vertreiben und eine nationale Regierung zu bilden. Diese konnte sich allerdings nur ein paar Tage halten, danach verlor die seit dem Wiener Kongress „freie Stadt Krakau“ ihre Autonomie und wurde Galizien einverleibt. Ab den 1860er-Jahren ließ die Dominanz der Österreicher nach, der schrittweise Ausbau der galizischen Autonomie stand im Zusammenhang mit grundlegenden Reformen in der Monarchie und dem Ausgleich mit Ungarn 1867.






  • 26.03.2015 - 30.08.2015
    Ausstellung »
    Wien Museum »

    Dienstag bis Sonntag & Feiertag, 10 bis 18 Uhr
    Geschlossen: 1.1., 1.5. und 25.12.

    Eintritt: Erwachsene: 8 €. Ermäßigt 6 € (SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen) Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!



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  • ANTISEMITISCHE POSTKARTE, 1905 © Sammlung Aleksandr Korobov
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