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RE/VISION FOTOGRAFIE IM MKG SEIT 1892

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Piktorialismus: Fotografie als Kunstwollen
Ist Fotografie Kunst? Diese Frage beantwortet gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Bewegung der Kunstfotografie, auch Piktorialismus genannt, mit einem deutlichen Ja. Sie möchte die Fotografie von den Fesseln objektiver Dokumentation befreien und gleichzeitig als Kunst neben der Malerei etablieren. Die Hamburger Schule um die Gebrüder Hofmeister bildet eines der Herzstücke der Bewegung. Gleichzeitig formieren sich Zentren in London, Paris und Edinburgh, das Wiener Kleeblatt um Heinrich Kühn und in New York die Photo-Secession um Alfred Stieglitz und Edward Steichen. Bereits 1916 erwarb das MKG mit der Sammlung des Hamburgers Ernst Wilhelm Juhl einen einzigartigen Bestand piktorialistischer Arbeiten, der heute ein Highlight der Sammlung bildet. Kunstfotografen wie Alvin Langdon Coburn und James Craig Annan fertigen Abzüge von den Negativen David Octavius Hills und Robert Adamsons an, den „alten Meistern“ der künstlerischen Fotografie, die bereits in den 1840er Jahren Porträts auf Salzpapier herstellten. Ohnehin ist die perfekte Umsetzung eines Silbergelatineabzugs, eines Pigmentdrucks oder eines farbigen Gummidrucks für die Kunstfotografie um 1900 ebenso relevant, wie Fragen nach Schärfegrad, Tonwerten und Lichtwirkung. In zahlreichen Studien erproben die Piktorialisten die Stimmung im Bild um den perfekten Abzug und damit ein perfektes Kunstwerk zu erschaffen. Auch die Größe einer Aufnahme ist Ausdruck des Kunstwollens: Je größer das Format einer Fotografie, desto ähnlicher erscheint die Fotografie der Malerei und desto eher ist dem Objekt Kunststatus zuzusprechen. Originale Rahmungen betonen diesen Effekt und weisen die Werke als dekorative Kunst aus. Es lässt sich attestieren: Size does matter!

Reproduktion: Fotografie – als Hilfsmittel?
Abbildungen von Skulpturen und kunsthandwerklichen Gegenständen werden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts produziert und mit Erfolg als exakte Dokumentationen eines Gegenstandes vermarktet. Sie treiben die Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin voran und bringen Forschern ihr Anschauungsmaterial auf den Schreibtisch. Gleichzeitig dienen Aufnahmen von Stillleben oder Pflanzen wie jene Constant Alexandre Famins als Études d’après nature, sie sind Vorlagen für Malerei und Kunsthandwerk. Aus heutiger Perspektive faszinieren die frühen Fotografien aufgrund ihrer Aura. Doch sie gestatten auch Einblicke in vergangene Reproduktionspraktiken. Die unterschiedlichen Hintergründe der Fotografien – heller oder dunkler, monochrom oder mit Farbverlauf – verweisen ebenso wie die gewählte Perspektive auf variierende Standards der Reproduktionstechnik. In der Frühzeit der Fotografie werden Skulpturen für den zeitgenössischen Betrachter fotografisch verdoppelt, wofür der eine „richtige“ Blickwinkel gesucht wird. In den 1920er Jahren umrunden und interpretieren Fotografen wie Walter Hege ihre Gegenstände dann fotografisch – und verwischen so die Grenzen reiner Reproduktion. Auch die Sammlungen von Museen werden früh fotografisch inventarisiert. Wilhelm Weimar, Mitarbeiter von Justus Brinckmann, dem Gründungsdirektor des MKG, fotografiert um 1900 die Bestände des MKG und bannt sie auf Glasnegative. Sie bilden ein archivarisches Ordnungssystem, in dem sie als Referenten auf ihre Objekte verweisen. Die Facetten fotografischer Reproduzierbarkeit werden in zeitgenössischen Positionen dann selbst zum Thema.

Abstraktion: Fotografie als autonome Kunst
In den 1920er Jahren betonen Fotografen den autonomen Charakter der Fotografie. Was ist fotografisch an der Fotografie, was sind ihre Mittel? Es gilt die Fotografie vom vermeintlichen Zwang Wirklichkeit abzubilden, zu befreien. In der Dunkelkammer experimentieren Fotografen wie Christian Schad und Lázló Moholy-Nagy jenseits jeder Gegenständlichkeit mit den medieneigenen Mitteln, mit Licht und Form, und reflektieren so die Fotografie selbst. Es entstehen Schadografien und Fotogramme, die im kameralosen Verfahren auf lichtempfindlichem Papier die Grenzen des eigenen Mediums hinterfragen. In den 1950er Jahren greifen die Protagonisten der Subjektiven Fotografie um Otto Steinert auf die Experimente der 1920er Jahre zurück und zeigen die Fotografie als variables Medium, das nur sich selbst verpflichtet ist. Es wird mit Negativdrucken und der Materialität von Filmen und Fotopapieren experimentiert, Aufnahmen werden mit Klebstoff übergossen oder es werden mit Hilfe von Licht und Chemie abstrakte Grafiken erschaffen. Andere Fotografen gehen den umgekehrten Weg: Sie finden ihre Motive in der Realität und abstrahieren Formen und Strukturen durch neue Perspektiven und ungewöhnliche Ausschnitte. Motivisch wird dabei ebenso auf Flakfeuer, Schattenspiele und serielle Reihungen zurückgegriffen, wie auf klassische Motive, etwa das Meer und die Wolken.

Sammlungskatalog: Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Sammlungskatalog im Steidl Verlag, der Einblick gibt in eine der bedeutendsten Museumssammlungen der Fotografie in Deutschland. Die Publikation blickt aus verschiedenen Perspektiven auf die vielfältige und gewachsene Sammlung und stellt sie in elf Kapiteln anhand ausgewählter Gattungen wie Porträt-, Architektur- oder auch Reisefotografie vor. Sie untersucht zentrale Diskurse, etwa den Wunsch nach einer präzisen und objektiv dokumentierenden fotografischen Erfassung oder die im 19. Jahrhundert begründeten Rollen der Fotografie als Hilfsmittel der Wissenschaft und als Medium der Archivierung. Gleichzeitig widmet sich der Sammlungskatalog der wandelnden Materialität der Bilder, beispielsweise ihrer Rahmung. Einzelne Kapitel spiegeln Sammlungsschwerpunkte wieder, so etwa den hochkarätigen Bestand internationaler piktorialistischer Fotografie oder die in den 1980er Jahren zusammengetragene Sammlung japanischer Aufnahmen.






  • 21.12.2016 - 23.04.2017
    Ausstellung »

    Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
    Eintrittspreise: 10 € / 7 €, Do ab 17 Uhr 7 €, bis 17 Jahre frei

     

     

     



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  • Albert Renger-Patzsch, Dortmund, Zeche Germania: Wäsche- und Transportbahnen, um 1950, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann und Jürgen Wilde / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
    Albert Renger-Patzsch, Dortmund, Zeche Germania: Wäsche- und Transportbahnen, um 1950, © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann und Jürgen Wilde / VG Bild-Kunst, Bonn 2016
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Yutaka Takanashi, Aus der Serie Toshi-e (Towards the city), 1968, Silbergelatineabzug, 24,4 x 36,4 cm, © Yutaka Takanashi, Courtesy PRISKA PASQUER, Köln
    Yutaka Takanashi, Aus der Serie Toshi-e (Towards the city), 1968, Silbergelatineabzug, 24,4 x 36,4 cm, © Yutaka Takanashi, Courtesy PRISKA PASQUER, Köln
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Walter Hege, Naumburger Dom – Uta von Naumburg, 1938 – 1941, Duxochromie, 22,2 x 16 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
    Walter Hege, Naumburger Dom – Uta von Naumburg, 1938 – 1941, Duxochromie, 22,2 x 16 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Josef Löwy, „Erzherzog Ferdinand von Tirol. Sturmhaube in Goldtausia geziert. Italien. Arbeit um 1550.“, 1873-1892, Albuminabzug, 26,5 x 20,3 cm, © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
    Josef Löwy, „Erzherzog Ferdinand von Tirol. Sturmhaube in Goldtausia geziert. Italien. Arbeit um 1550.“, 1873-1892, Albuminabzug, 26,5 x 20,3 cm, © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Tina Barney, „The Young Lady” aus der Serie “The Europeans”, 2002, C-Print, Edition 1/10, gerahmt, 121,9 x 152,4 cm, © Tina Barney, Courtesy of the artist and Paul Kasmin Gallery
    Tina Barney, „The Young Lady” aus der Serie “The Europeans”, 2002, C-Print, Edition 1/10, gerahmt, 121,9 x 152,4 cm, © Tina Barney, Courtesy of the artist and Paul Kasmin Gallery
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Otto Steinert, Saarländisches Kraftwerk, 1953, Silbergelatineabzug, 49,6 x 59,4 cm, © Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen
    Otto Steinert, Saarländisches Kraftwerk, 1953, Silbergelatineabzug, 49,6 x 59,4 cm, © Nachlass Otto Steinert, Museum Folkwang, Essen
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Duane Michals, "Nude painting, interior Magritte home" aus dem Portfolio "A Visit with Magritte by Duane Michals", 1970er Jahre, Silbergelatineabzug, 17 x 25 cm, © Duane Michals. Courtesy of DC Moore Gallery, New York
    Duane Michals, "Nude painting, interior Magritte home" aus dem Portfolio "A Visit with Magritte by Duane Michals", 1970er Jahre, Silbergelatineabzug, 17 x 25 cm, © Duane Michals. Courtesy of DC Moore Gallery, New York
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