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Ansichtssache #19

Martin Marquart. Ein Goldschmied und seine verborgene Seite

Ansichtssache #19

Im Mittelpunkt der Ansichtssache #19 steht das eindrucksvolle Bildnis des Augsburger Goldschmiedes Martin Marquart, das um 1560 entstand und erst kürzlich restauriert wurde. Damit erstrahlt nicht nur der Dargestellte in neuem Glanz, sondern auch die bemalte Rückseite, die wohl erstmals überhaupt öffentlich gezeigt werden kann. Sie weist eine äußerst ungewöhnliche Thematik auf, denn bei der Szene eines Satyrs, der in Gegenwart des weinenden Amorknaben einer Nackten eine Kette überreicht, handelt es sich um ein Sinnbild käuflicher Liebe. So mag dem Mann, hier durch den triebhaften und hässlichen Satyr repräsentiert, auch das Liebesglück abhandengekommen sein, wie Amors Klagen veranschaulichen – immerhin aber bietet sich dem Wohlhabenden noch der Trost käuflicher Lustbefriedigung. Vielleicht ließ Marquart die Rückseite erst in fortgeschrittenem Alter, und zwar als Witwer, mit der dann durchaus auch augenzwinkernd zu verstehenden Szene schmücken, wobei die dargereichte Goldschmiedearbeit eine Brücke zu seinem Berufsstand schlägt. Vorstellbar ist, dass das Werk als eine Art Möbel- oder Nischentür im Privatbereich unseres Goldschmiedes gedient hat, wo nur ausgewählte Besucher die anzügliche Rückseite zu Gesicht bekamen. Reste von Scharnieren belegen zumindest, dass es einst klappbar war.

Martin Marquart, dessen Nachnamen die (erneuerte) Inschrift auf der Vorderseite verrät, gehörte im 3. Viertel des 16. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Vertretern seines Berufsstandes in der Goldschmiedemetropole Augsburg. So lieferte er seit den 1560er Jahren zahlreiche Arbeiten an den Wiener Kaiserhof und an den bayerischen Herzog. Nicht zufällig hält Marquart auf dem Wiener Bildnis eine Silberkanne in den Händen, die zu einer sogenannten Gieß- bzw. Lavabo-Garnitur gehörte. In dieser antikischen Gestaltung kamen solche luxuriösen Geschirre ab etwa 1540 europaweit in Mode. In seinem Porträt wird das Gefäß damit zum Attribut eines Goldschmiedes, der sich auf der Höhe der Zeit zu bewegen weiß und sowohl sein Können als auch seinen illustren Abnehmerkreis vorführen möchte.

Lange wurde der Schöpfer des unsignierten Werkes in der Nachfolge des Augsburger Porträtmalers Christoph Amberger gesucht; wahrscheinlicher aber handelt es sich bei ihm um einen gebürtigen, in Italien geschulten Niederländer. Möglicherweise war der Künstler in Begleitung eines Fürsten oder hohen Würdenträgers nach Augsburg gelangt, wo 1559 der Reichstag stattfand. Aus diesem Jahr stammt zumindest ein weiteres im Kunsthistorischen Museum befindliches Bildnis, das einen Gelehrten zeigt und vom selben Maler stammt. Die Wiener Bildnisse, die bis in das frühe 20. Jahrhundert als Arbeiten von Pieter Pourbus (1523 – 1584) gegolten hatten, stehen besonders Frühwerken des aus Antwerpen gebürtigen Marten de Vos (1532 – 1603) nahe, der ab 1552 mehrere Jahre in Italien geweilt hatte.

Seit 2012 wird die Gemäldegalerie mehrmals im Jahr durch die Reihe Ansichtssache als lebendiger Ort der Forschung und Wissensvermittlung sichtbar gemacht. Im Fokus steht dabei jeweils ein außergewöhnliches Bild der Sammlung, das aus Platzgründen nur selten gezeigt wird oder das durch jüngere Forschungsergebnisse zu einer erneuten Betrachtung einlädt.






  • 15.07.2017 - 19.11.2017
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    Kunsthistorisches Museum »

    Kunsthistorisches Museum Wien
    Maria Theresien-Platz, 1010 Wien

    Öffnungszeiten
    täglich 10 – 18 Uhr

    September bis Mai
    Di – So, 10 – 18 Uhrv Einlass ist jeweils bis eine halbe Stunde vor Schließzeit!



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  • Bildnis des Augsburger Goldschmiedes Martin Marquart Niederländisch (Umkreis Marten de Vos) um 1560 (1559?) Kiefer, 79,4 × 75,3 cm Wien, Kunsthistorisches Museum, GG 1043 © KHM-Museumsverband
    Bildnis des Augsburger Goldschmiedes Martin Marquart Niederländisch (Umkreis Marten de Vos) um 1560 (1559?) Kiefer, 79,4 × 75,3 cm Wien, Kunsthistorisches Museum, GG 1043 © KHM-Museumsverband
    Kunsthistorisches Museum
  • Nackte Frau, Satyr und Amor (Rückseite von GG 1043) Augsburgisch um 1560 oder später © KHM-Museumsverband
    Nackte Frau, Satyr und Amor (Rückseite von GG 1043) Augsburgisch um 1560 oder später © KHM-Museumsverband
    Kunsthistorisches Museum