K21 zeigt erste große Überblicksausstellung Hito Steyerls in Deutschland
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Ausstellung27.06.2020
Mit der Ausstellung „Hito Steyerl. I Will Survive“ im K21 ist erstmals ein großer Überblick über das Werk der Künstlerin, Filmemacherin und Autorin in einem Muse- um in Deutschland zu sehen. Die gemeinsam entwickelte Ausstellung zwischen Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und dem Centre Pompidou macht zuerst in Düsseldorf Station und wird ab Februar 2021 in Paris präsentiert.
Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen: „Wir freuen uns sehr, mit der Ausstellung „Hito Steyerl. I Will Survive“ im K21 erstmals in Deutschland einen umfassenden Überblick über das Werk dieser wichtigen Künstle- rin, Filmemacherin und Autorin zu präsentieren. Steyerl gehört aktuell zu den inter- national wichtigsten Positionen, wenn es um die Reflexion der gesellschaftlichen Rolle von Kunst und Museum geht, um das Experimentieren mit medialen Präsenta- tionsformen und um die kritische Auseinandersetzung mit Daten und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz.“
Im Zentrum der Ausstellung im K21 steht eine neue, für die Ausstellung entwickelte multimediale Installation, mit der Steyerl (*1966) die Potentiale von Digitalität, Simu- lation und Künstlicher Intelligenz im Hinblick auf künstlerische Kreativität, museale Präsentationsweisen, soziale Verwerfungen und pandemische Bedingungen kritisch auslotet.
Die neue Arbeit wird in der Ausstellungshalle im Untergeschoss des K21 mit einer umfang- reichen Auswahl früherer Arbeiten Steyerls gezeigt. Neben raumgreifenden Installationen aus den vergangenen zehn Jahren (In Free Fall, 2010, Guards, 2012, How Not To Be Seen. A Fucking Didactic Educational .MovFile, 2013, Is the museum a battlefield?, 2013, Duty-Free Art, 2015, HellYeahWeFuckDie, 2016, The City of Broken Windows, 2018, This is the Future / Power Plants, 2019, Mision Accomplished: Belanciege, 2019) liegt ein Schwerpunkt auf den frühen Filmen, die kurz nach Steyerls Studium der Dokumentar- filmregie entstanden sind. Deutschland und das Ich (1994), Babenhausen (1997), Die leere Mitte (1998) und Normalität (1999) widmen sich dem wiedererstarkenden Rassismus und Nationalismus im Deutschland nach der Wiedervereinigung. Mit November (2004) und Lovely Andrea (2007) werden zwei für Steyerls Werk zentrale Filme gezeigt, in denen sich das Zirkulieren der Bilder, das Motiv des Todes (der Freundin Andrea Wolf) und die kriti- sche Hinterfragung der Tragfähigkeit des dokumentarischen Modus im Film als Kern von Steyerls filmkünstlerischem Ansatz erweisen. Steyerls Werk stellt in Theorie und Praxis einen zentralen Beitrag zum „Documentary Turn“ in der bildenden Kunst um das Jahr 2000 dar. Im Überblick der Ausstellung wird ersichtlich, wie Steyerl in den letzten dreißig Jahren die Mutation von Kamerabildern vom analogen Bild und seinen vielfältigen Monta- gen hin zum geteilten, flüssig werdenden digitalen Bild und den sich daraus ergebenden Implikationen für die Repräsentation von Kriegen, Klimawandel und Kapitalströmen verfolgt hat.
Künstlerin, Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl
Steyerls Filme sind oft von der visuellen Nervosität des Internets imprägniert. Die im World Wide Web massenhaft verbreiteten, geteilten, manipulierten und kommentierten Bilder bilden einen reichhaltigen Fundus für ihre assoziativ verfahrenden Filmcollagen, in denen unterschiedliche Bildbearbeitungen, darunter die ausgiebige Verwendung von 3D- Animationen, zum Einsatz kommen. Ein Abstand zur traditionellen dokumentarischen Filmsprache tut sich auf, den Steyerl unter dem Begriff „documentary uncertainty“ (doku- mentarische Unschärferelation) gefasst und in zahlreichen Essays und Vorträgen be- schrieben und analysiert hat. Die Absolventin der HFF München, promovierte Philosophin und Professorin für Medienkunst an der UdK Berlin greift in ihren Filmen und Texten eben- so auf historische Quellen zurück, arbeitet Walter Benjamins Geschichtsphilosophie und die „negative Dialektik“ der Frankfurter Schule als tragendes Fundament in das von ihr mitgestaltete Format des Video-Essays ein. Zu den zahlreichen, produktiv genutzten Quel- len zählen, um nur die vielleicht wichtigsten zu nennen, Theodor W. Adornos Ausführungen zum Essay als skizzenhafte, subjektive Argumentationsform, Harun Farockis Essayfilm und schließlich Jean-Luc Godards revolutionäre Filmsprache. Zitate aus der Pop Kultur von Disco-Hits über Monthy Python’s Flying Circus bis hin zum Game Design kommen hinzu. Doch bei allem Witz und Hang zum Paradoxen steht hinter Steyerls pointierten und mit einer Länge von maximal 30 Minuten eher kurzen Filmen ein kohärentes Interesse an postkolonialer Kritik, ökologischer Theorie, feministischen Ansätzen, der Kritik an Big Data und der Überwachungsindustrie, womit Steyerl selbst inzwischen einen großen Einfluss auf die künstlerische Theorie und Praxis einer jüngeren Generation ausübt.
Ein wiederum kritisches Hinterfragen der eigenen Autorenschaft zeigt sich etwa in Novem- ber (2004), wenn eine Stimme aus dem Off (Steyerl) sagt: „Nicht ich erzähle die Geschich- te, sondern sie erzählt mich“. Hier wird deutlich, dass es Steyerl um eine Geschichte des Widerstands geht, die nicht nur ihre eigene ist, sondern die einer ganzen Generation, wie Florian Ebner in der Laudatio auf die Künstlerin anlässlich der Verleihung des Käthe Koll- witzpreises in der Berliner Akademie der Künste im Februar 2019 herausgestellt hat.
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27.06.2020
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