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NITA TANDON

  • Ausstellung
    07.05.2022 - 18.05.2022
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Angesichts der weltpolitischen Unsicherheit und der gesellschaftlichen Stimmung, die derzeit zwischen mehreren Krisen vom Klima über Krieg hin zur Pandemie und wieder zurück oszilliert, trifft Nita Tandon mit ihren Werken einen zentralen Kontrapunkt. Indem sie sich just mit Mechanismen beschäftigt, die sich um Einordnung, Orientierung und dem Fixieren von Bezugspunkten drehen, füllt sie ein Lücke in einer Zeit, in der physische, psychische und philosophische Ankerpunkte selten sind. Daraufhin deutet auch der Ausstellungstitel „In Relation / in Relation“, der zwar auf unterschiedliche Bedeutungen referiert - vom simplen Größenvergleich bis hin zum diskursiven Abgrenzungstool – aber in der Überschau eine Funktion der Kategorisierung anhand von Vergleichen meint, vielleicht eine künstlerische Hilfe zum Verständnis einer immer komplexer werdenden Welt. So wie überhaupt Nita Tandons Werk von einem Versuch großer Einordnungen geprägt ist, von Strukturierungen und Systematisierungen, von der Organisation von Zeit und Raum. Dieses In-Beziehung-Setzen und Maßnehmen ist bei ihr keine ästhetische Frage, wie es etwa Nicolas Bourriaud meint, sondern selbst Ergebnis der Objekte und Themen, die sie anspricht.

Tandon ordnet die Welt in verschiedene Raster, in geometrische Anordnungen und macht sie damit greifbar. Diese Darstellungsformen sind Herangehensweisen, und sie sind, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, in ihrem durch rationale Kriterien getragenen Entstehungsprozess höchst subjektiv und weniger – wie es etwa Rosalind Krauss im Gegensatz dazu versteht - eine Negation von Individualität und Erzählung, die beide zum Schweigen bringt. Noch weniger sind Nita Tandons Arbeiten im Krausch´schen Sinn ( „Das Raster erklärt den Raum der Kunst als eine Welt für sich und in Bezug auf die natürlichen Objekte als vorrangig und endgültig.“) ein rein ästhetisches Produkt/Dekret, das unnachgiebiger nicht sein könnte und jede Entwicklung ablehnt.

Bei Tandon wird es individuell und subjektiv, wenn die Farbgebung unterschiedlicher Serienbilder von einem nur scheinbar zufälligen, aber keineswegs bedeutungslos gewählten Kriterium abhängt, wie dem Unterschied technologischer Farbsyteme (RGB und CMYK) aus der Drucktechnologie. Oder wenn die am Lehrinhalt oder Lehrgegenstand ausgerichteten Dimensionen von Schulheften zum zufälligen, aber alles andere als grundlosem Thema gemacht werden, das einen subjektiven Anstoß zur Reflexion über institutionelle Wissensvermittlung gibt.

Hinter dem Konzept der Kategorisierung und Rasterung stehen auch Anleihen an die chinesische Axiometrie, die sich anders als die europäische Ausprägung nicht linear präsentiert, sondern den Betrachtern gleichzeitig mehrere zeitliche und räumliche Perspektiven anbietet. Nichts ist eindimensional – auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Zumindest die fraktale Anspielung, also die Wiederholung gleicher Muster auf unterschiedlichen Größenebenen zeigt, wie vielschichtig eine Gesellschaft sein kann. Etwa wenn einzelne Bild-Tafeln nicht nur durch ein Unzahl von einzelnen Pixel gerastert sind, sondern auch in zwanzig Kompartimente, Bildfelder aufgeteilt sind, und sich somit ein Raster im Raster ergibt. Es sind diese Grids, die keineswegs im Dienste eines autonomen Raumgefüges stehen, eines Raumes der Kunst, der „sich selbst zum Zweck hat“, der gegen Erzählung, Natur und Nachahmung gewendet wird und sich separiert, wie dies Krauss 1978 für die Moderne formuliert hat. Es wird vielmehr mimetisches Erfassen durch Vergrößerung, Gitterstruktur, Codierung und Übertragung derart weit getrieben, dass Wiedererkennbarkeit und der Bezug zum „eigentlichen“ Ding auf der Strecke bleiben.

Die Farb- und Gitternetze aus der Welt von Tandon sind immer gleichzeitig Subjekt und Objekt. Sie tragen unter der ästhetischen Oberfläche auch die Information ihrer stellenweise oft äußerst zeitaufwendigen Erschaffung in sich. Damit gehört zu der rein optischen Botschaft auch ein Narrativ über die Produktion an sich dazu, das viel über menschliche Begegnung, Gruppen und Arbeitswelten erzählt. Und es ist dann auch ein Narrativ über die Welt an sich, denn logisch gesehen erstrecken sich ihre Raster in alle Richtungen bis ins Unendliche. Jede Begrenzung, die ihnen durch ein bestimmtes Gemälde oder eine Skulptur auferlegt wird, kann dann nur als willkürlich angesehen werden. Durch das Raster wird das gegebene Kunstwerk als ein bloßes Fragment dargestellt, ein winziges Stück, das aus einem unendlich großen Bild herausgeschnitten wurde.

Damit verankert Tandon ihre Werke als Erklärmuster in der Unendlichkeit der Welt und bietet eine (wenn auch vermutlich gar nicht so geplante) artifizielle Interpretationshilfe über die Verwirrungen des aktuellen Zeitgeschens an. Viele verschieden, aber zeitgleich ablaufenden gesellschaftpolitische Verwerfungen bedürfen einer Einordnung, vielleicht auch durch die künstlerische Botschaft, dass sich kleine Muster in immer größeren Strukturen wiederholen. Das In-Beziehung-Setzen mittels Raster schafft Ordnung in einer Welt, die in vielen Fugen und Ecken in Unordnung geraten ist. © flat1






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  • 07.05.2022 - 18.05.2022
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    NITA TANDON

    Opening:
    Friday 6. May 2022, 7-10 pm

    Opening speech: Patricia Grzonka

    7. -18. May 2022
    Tue-Sun 3-7 pm or by appointment (0699/12010203)

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    Radetzkystr. 4, 1030 Wien



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