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DER PROPHET DIE WELT DES KARL WILHELM DIEFENBACH

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Ein Fiasko in Wien
Aus diesem Grund nahm Diefenbach eine Einladung des finanziell maroden Österreichischen Kunstvereins nach Wien an, dem er „schnellstmöglich zu Sensationsgemälden“ verhelfen sollte. Der exzentrische Künstler lieferte elf große Wandgemälde, die zwar nicht den erwarteten erotisch- voyeuristischen Einschlag hatten, aber innerhalb von fünf Monaten immerhin 78.000 BesucherInnen anlockten. Dennoch endete der Fall für ihn mit einem Fiasko: Die Leitung des Kunstvereins veruntreute Gelder aus einem Darlehen, das mit den Bildern des Künstlers abgesichert war. Am Ende wurden die zehn größten Gemälde versteigert, Diefenbach ging dabei leer aus und musste sich mittel- und obdachlos melden.

Nach einer Alpenwanderung und kurzer „Flucht“ nach Ägypten gründete Diefenbach nach seiner Rückkehr 1897 in Ober-St. Veit die Landkommune „Himmelhof“. Hier versammelten sich bis zu 24 Gleichgesinnte, die Kommune wurde ein Vorläufer unzähliger alternativer Lebensgemeinschaften im 20. Jahrhundert. Auch hier regierte Diefenbach autoritär, mit eisernen Regeln und Vorschriften, alle Mitglieder mussten etwa dem „Meister“ Aufzeichnungen über ihren Tagesablauf vorlegen, immer wieder gab es Spannungen und Austritte aus der Gruppe, die exzentrische wie proletarische Persönlichkeiten umfasste. Immerhin entstand in dieser Zeit Diefenbachs 34 Tafeln umfassender, monumentaler Fries „Per aspera ad astra“, der als „gemaltes Manifest“ 1898 erstmals öffentlich ausgestellt wurde. Doch das provokante Leben auf dem Himmelhof brachte in der Presse eine Lawine an Schmähartikeln gegen Diefenbach hervor. In einem Artikel im Wiener Neuigkeits-Weltblatt wurde unter dem Titel „Der Meister des Nichtstuns und Dochlebens“ gegen ihn gewettert, „gegen das `gemeingeführliche`, `unsittliche` Treiben der `Schnorrer`- und `Narren`-Gesellschaft am `Himmelhof`, welche die Mildherzigkeit der Wiener zu `schrullenhaftem` `Nichtstun und Dochleben` missbrauche“. `Gaukelspiel` für ihr `schamloses`

Der finanzielle Konkurs der Kommune 1899 führte zu deren Auflösung, nach einer Zwischenstation in Triest wollte Diefenbach eine Reise in den Orient antreten, die allerdings auf Capri endete, wo er seine letzten Jahre zubrachte, ohne den künstlerischen Durchbruch zu schaffen. Selbst seine Versuche, Prominente wie den Industriellen Alfred Krupp, den Arzt Axel Munthe oder den Schriftsteller Maxim Gorki für seine Bilder zu begeistern, blieben erfolglos.

Diefenbach und die Lebensreformer um 1900
Diefenbach gilt heute als einer der einflussreichen Vorreiter alternativer Bewegungen um 1900, die in Wien Figuren wie Peter Altenberg oder den „Vater des Gänselhäufels“ Florian Berndl hervorbrachte. So war Diefenbach nicht der einzige, der in seinen Kommunen bereits die „freie Liebe“ exerzierte und die Befreiung von körperlichen Zwängen auch mit dem Tragen einer Kutte vorlebte. Jedoch machten ihn bereits seine vergleichsweise harmlosen Sonnenbäder 1888 zum Angeklagten im ersten Nudistenprozess der deutschen Geschichte. Mit seinen Angriffen auf die Kirche und das Leugnen eines christlichen Erlösergottes befand er sich im Hinblick auf den zeitgleich einflussreichen Philosophen Nietzsche mit seinem „Zarathustra“ ebenfalls in bester Gesellschaft.

In Sachen Ernährung vereinte der Verzicht auf Tabak, Alkohol, Kaffee und Fleisch sowie die Nacktbäder in Licht und Luft die unterschiedlichsten Ansätze des Vegetarismus, gemäß der Naturheilkunde versprach dies eine Erlösung von physischer und psychischer Krankheit. Später rückten zunehmend ethische Gründe in den Vordergrund der Ernährungsumstellung: Es ging um die Achtung vor dem Lebewesen. Gleichzeitig zielte der Vegetarismus auf einen generellen Pazifismus, einen Zustand konfliktfreier Koexistenz, nicht nur von Mensch und Tier: Vegetarismus wurde zum Mittel gegen Krieg stilisiert. Als bedeutendste Theoretiker der Zeit gelten Magnus Schwantje mit seinem „Bund für radikale Ethik“ sowie Eduard Baltzer („Deutscher Verein für natürliche Lebensweise“), beide standen mit Diefenbach ebenso in regem Austausch wie die Friedenskämpferin Bertha von Suttner.

Eintritt: Erwachsene: 5 €. Ermäßigt 3,50 € (SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1- Club, Menschen mit Behinderung, Gruppen ab 10 Personen) bzw. 2,50 € (Lehrlinge, Studierende bis 27 Jahre, Präsenz- und Zivildiener); Schüler und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!

BesucherInneninformation:  Tel (+43 1) 505 87 47-0, www.wienmuseum.at; e-mail: service@wienmuseum.at

Kuratorin: Claudia Wagner
Kuratorinnen Wien Museum: Michaela Lindinger, Monika Sommer

Begleitbuch zur Ausstellung: Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913). Lieber sterben, als meine Ideale verleugnen! Hg. von Michael Buhrs und Claudia Wagner. Edition Minerva, 240 Seiten / 25 Euro.

Hauptsponsor Wien Museum: Wiener Stadtwerke






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  • Diefenbach am Starnberger See, 1886 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Diefenbach am Starnberger See, 1886 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Wien Museum
  • Du sollst nicht töten, 1906 Karl Wilhelm Diefenbach Öl auf Holz © Privatsammlung
    Du sollst nicht töten, 1906 Karl Wilhelm Diefenbach Öl auf Holz © Privatsammlung
    Wien Museum
  • Frage an die Sterne, 1901 Karl Wilhelm Diefenbach Öl auf Leinwand © Privatbesitz
    Frage an die Sterne, 1901 Karl Wilhelm Diefenbach Öl auf Leinwand © Privatbesitz
    Wien Museum
  • Karl Wilhelm Diefenbach mit seinen Kindern Helios und Stella, 1884 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Karl Wilhelm Diefenbach mit seinen Kindern Helios und Stella, 1884 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Wien Museum
  • Diefenbach mit Familie bei der Alpenüberquerung, 1895 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Diefenbach mit Familie bei der Alpenüberquerung, 1895 © Archiv der Spaun-Stiftung, Seewalchen
    Wien Museum