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Theseustempel

Edmund de Waal: Lichtzwang

Theseustempel

2012 begann das Kunsthistorische Museum, den Theseustempel im Wiener Volksgarten für eine Ausstellungsreihe zu nutzen. Der vom kaiserlichen Hofarchitekten Antonio Nobile zwischen 1819 und 1823 errichtete Tempel war ursprünglich als Rahmen und Präsentationsort für ein einziges zeitgenössisches Kunstwerk gedacht: Antonio Canovas monumentale Gruppe Theseus erschlägt den Kentauren. Fast siebzig Jahre lang stand diese beeindruckende Skulptur aus weißem Marmor allein im Theseustempel, erst 1890 wurde sie in das neu errichtete Kunsthistorische Museum überführt, wo sie sich noch immer befindet.

Mit dieser neuen Ausstellungsreihe entspricht der Theseustempel nun erneut seiner ursprünglichen Funktion als Ort, an dem bedeutende Werke eines zeitgenössischen Künstlers gezeigt werden. 2012 sahen über 90.000 Besucher die Installationen von Ugo Rondinone und Kris Martin, 2013 kamen sogar 120.000 Besucher in die Ausstellung von Richard Wright.

2014 präsentiert der Keramikkünstler und Autor Edmund de Waal sein neues Werk Lichtzwang im Theseustempel. Dies ist de Waals erste Ausstellung in Österreich. Die von Jasper Sharp kuratierte Ausstellung wird von den Contemporary Patrons des Kunsthistorischen Museums großzügig unterstützt.

Einen Atemzug setzen, und dann noch einen.

Hier gibt es nur Tageslicht, das durch die große Doppeltür einfällt. Auch durch das Dachfenster kommt Licht von draußen, Licht, das die Wände hinauf- und hinunterwandert, sich ändert. Mit seiner Bewegung sammeln sich Schatten und lösen sich auf. Warum sollte alles beleuchtet sein, an Wänden fixiert im toten Licht einer Galerie, auf den Moment ausgerichtet, in dem jemand vorbeikommt? In dem zerbrechlichen, zufälligen Augenblick, in dem man nur sieht, was man sehen kann, liegt eine gewisse Schönheit.

An der Wand gegenüber der Tür finden sich zwei riesige Vitrinen. Sie enthalten Hunderte kleine Porzellangefäße, die, in verschiedenen Weißtönen glasiert, nur wenige Bewegungen vermitteln. Manche zeigen einen Hauch Silber an den Rändern oder an der Basis. Sie sind wie Wörter auf eine Seite gesetzt, gleichen Leuten, die durch ein Gebäude gehen, haben etwas vom flüchtigen Eindruck einer musikalischen Phrase. Der Name der Installation, Lichtzwang, nimmt den Titel eines Gedichtbands von Paul Celan auf, für den Sprache eine notwendige und schreckliche Antwort auf das Schweigen war. Es handelt sich um eine Neuprägung, um eine mit Druck zustande gebrachte Verbindung verschiedener Töne.

Vitrinen lassen die Welt stillstehen. Man legt etwas hinein, schließt die Tür und lässt es ruhen. Vitrinen ziehen auch eine Gerade durch den Raum, heben einen Rauminhalt anschaulich von anderen Rauminhalten, Haus-, Landschafts- oder Stadtbereichen ab.

Lichtzwang ist ein Versuch dahinterzukommen, ob ich in der Luft zeichnen, Sammlungen von Porzellangefäßen auf diese Art sichern kann. Ist das Unterfangen, etwas aus einem zerbrechlichen Material herzustellen und es dann als Installation, als Sammlung in die Welt zu setzen, mit einem Atemzug, der diese Objekte, die so leicht verstreut werden können, zusammenhält. Ist eine Wette auf die Menschen, die Familie, die Geschichte, dass die Sammlung zusammenbleiben wird, im Wissen, dass das oft nicht so ist, nicht so sein kann. Diese kleinen Porzellangegenstände in einem schattigen Raum an einem komplizierten Ort in eine Vitrine zu stellen, wo sie nur durch Lichtzwang, durch den Druck, die Kraft, den Zwang des Lichts, gehalten werden, ist genug.

(Edmund de Waal)
Dies ist das Gedicht von Paul Celan, nach dem Edmund de Waals Installation benannt ist:

Wir lagen
schon tief in der Macchia, als du
endlich herankrochst.
Doch konnten wir nicht
hinüberdunkeln zu dir:
es herrschte
Lichtzwang

BIOGRAPHIE
EDMUND DE WAAL

Edmund de Waal kam 1964 zur Welt. Nach seinem Studium in Cambridge erlernte er das Töpferhandwerk in England und Japan. Berühmt sind seine großen Installationen, die bereits in zahlreichen bedeutenden internationalen Museen und Galerien gezeigt wurden, unter anderem im Victoria and Albert Museum in London, im Rijksmuseum Amsterdam, in der Tate Britain in London, im Fitzwilliam Museum in Cambridge, auf Waddesdon Manor in Buckinghamshire und im National Museum of Wales. De Waal hat auch für seine schriftstellerische Arbeit international Anerkennung gefunden, so etwa für sein jüngstes, preisgekröntes Buch Der Hase mit den Bernsteinaugen. Diese Ausstellung ist seine erste in Österreich.

2016 wird Edmund de Waal in Wien eine Schau von persönlich von ihm ausgesuchten Werken aus den Beständen des Kunsthistorischen Museums kuratieren.

GESCHICHTE DES THESEUSTEMPELS

Der Theseustempel wurde 1819–1823 von Pietro Nobile (1774–1854, führender Architekt des Spätklassizismus in Wien) im Rahmen der Neugestaltung des Volksgartens erbaut. Auftraggeber war Kaiser Franz I. Die Neuordnung war nötig geworden, nachdem die Franzosen 1809 bei ihrem Abzug aus Wien die Bastei vor der Hofburg gesprengt hatten. Ursprünglich als Privatgarten für die Mitglieder der kaiserlichen Familie gedacht, wurde die Anlage später auf Vorschlag der Hofgartenverwaltung der erste öffentlich zugängliche Park in Hofbesitz. Seit 1825 ist die Bezeichnung „Volksgarten“ gebräuchlich.






  • 30.04.2014 - 05.10.2014
    Ausstellung »
    Kunsthistorisches Museum »

    Öffnungszeiten: Di – So, 10 – 18 Uhr
    Do, 10 – 21 Uhr
    Juni bis August:
    täglich geöffnet!
    Einlass ist jeweils bis eine halbe Stunde vor Schließzeit!

     

     

    Theseustempel Wien
    1010 Wien, Volksgarten 



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  • Lichtzwang Edmund de Waal 2014 Courtesy Gagosian Gallery © KHM
    Lichtzwang Edmund de Waal 2014 Courtesy Gagosian Gallery © KHM
    Kunsthistorisches Museum
  • Edmund de Waal im Theseustempel 2014 Courtesy Gagosian Gallery © KHM
    Edmund de Waal im Theseustempel 2014 Courtesy Gagosian Gallery © KHM
    Kunsthistorisches Museum
  • Theseustempel © KHM
    Theseustempel © KHM
    Kunsthistorisches Museum
  • Theseustempel Beleuchtung bei Nacht © KHM
    Theseustempel Beleuchtung bei Nacht © KHM
    Kunsthistorisches Museum