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GEFÄHRDET – KO

GEFÄHRDET – KONSERVIERT – PRÄSENTIERT Die Passionsreliefs vom Wiener Stephansdom

GEFÄHRDET – KO

Die Dom- und Metropolitankirche St. Stephan – seit Jahrhunderten das geistige Zentrum Wiens und ein mittelalterlicher Sakralbau ersten Ranges – birgt eine Fülle an bedeutenden Bildwerken der Steinmetzkunst. Eines dieser Meisterwerke ist nun für kurze Zeit zu Gast im Schaudepot Schatzhaus Mittelalter im Unteren Belvedere: der Reliefzyklus der Passion Christi, der einst an der Außenwand der Schatzkammer beim Chor angebracht war.

 Irene Dworak

Sechs Reliefs dieses Ensembles aus dem frühen 16. Jahrhundert haben sich erhalten. Teile des ehemals mindestens elf Szenen umfassenden Zyklus fielen den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer, ein Relief ging bereits in der Barockzeit beim Einbau eines Fensters verloren. Aus großen Breitenbrunner Kalksandsteinblöcken gemeißelt, schildern die Bildwerke detailreich und mit eindringlicher Drastik den Leidensweg Christi. Geschaffen wurden sie von einer Wiener Bildhauerwerkstatt aus dem Umkreis Michael Tichters, der auch für die Vollendung und Aufstellung des monumentalen Marmorgrabmals Kaiser Friedrichs III. im Stephansdom verantwortlich zeichnete.

Die pilastergegliederte Szenenfolge begann an der schmalen Südwand mit dem Einzug Christi in Jerusalem, an den nach dem Fensterausbruch das Letzte Abendmahl, das Gebet am Ölberg und die Gefangennahme Christi anschlossen. An der Ostwand folgten die sechs erhaltenen Szenen Christus vor Kaiphas, Geißelung, Dornenkrönung, Ecce-Homo, Christus vor Pilatus und Kreuztragung.

August Stefan Kronstein

1581 wurden die Reliefs im Zuge einer Neustiftung durch namhafte Wiener Bürger – Mitglieder des Stadtrats, Bürgermeister und Stadtrichter – erstmals farbig gefasst. Reste dieser Polychromie aus dem Zeitalter der Gegenreformation sind noch heute vorhanden. Die sechs erhalten gebliebenen Szenen wurden 1942 abgenommen und 1952 im Kircheninneren an der Südwand des Apostelchors montiert.

Ab 2008 wurden die Skulpturen in den Werkstätten des Bundesdenkmalamts restauriert und sollen zukünftig im Inneren des Stephansdoms neu positioniert werden. Der Arbeitsaufwand pro Relief belief sich auf rund 650 Stunden, die Gesamtkosten lagen bei rund 122.000 Euro (davon 4.500 Euro Materialkosten). Die Finanzierung erfolgte zu gleichen Teilen durch das Bundesdenkmalamt und das Dombausekretariat St. Stephan.

Die Präsentation aller sechs Passionsreliefs im Belvedere im Rahmen der Ausstellungsserie Gefährdet – Konserviert – Präsentiert bietet erstmals die Gelegenheit, diese beeindruckenden Zeugnisse der Wiener Steinmetzkunst an der Wende zur Neuzeit aus nächster Nähe zu betrachten. Um dem Besucher den stark verschmutzten Zustand der Steinoberfläche vor der Restaurierung vor Augen zu führen, wurde ein Detail für die Präsentation im Belvedere noch ungereinigt belassen: Unschwer ist die kleine dünklere Figur des Simon von Cyrene links unten in der Szene der Kreuztragung Christi zu erkennen. Die Reinigung dieses Details soll erst nach der Ausstellung erfolgen, wenn die Reliefs wieder in den Stephansdom rückgeführt werden. Mittels Schautafeln werden den Besuchern der Ausstellung die wichtigsten Informationen und Forschungsergebnisse, die mit diesem bedeutenden Skulpturenensemble und seiner Restaurierung verbunden sind, präsentiert.

Die Ausstellung setzt die seit 1992 bestehende Kooperation der Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts mit der Mittelaltersammlung des Belvedere fort und entstand in Zusammenarbeit mit dem Dombausekretariat St. Stephan. Eine wissenschaftliche Begleitpublikation beleuchtet das Werk in seinem historischen und kunsthistorischen Kontext und bietet eine ausführliche Dokumentation der aktuellen Restaurierung.

Altar-Installation nach 1945 für die im Krieg Gefallenen mit den sechs Passionsreliefs, St. Stephan, Apostelchor (Foto 1953)  © Archiv der Dombauhütte St. Stephan, Wien

DIE RESTAURIERUNGSARBEITEN

Die Reliefs zeigten vor der Restaurierung viele bestandsgefährdende Schadensbilder, die letztlich eine Abnahme und Bearbeitung im Atelier erforderlich machten. Dabei galt es, die geschichtliche Dimension bzw. den historisch gewordenen Zustand der Reliefs zu respektieren und in den Restaurierungsprozess einzugliedern.

Wie sich bei der restauratorisch-konservatorischen Bearbeitung des Passionszyklus gezeigt hat, wiesen die erhaltenen Steinreliefs einen stark verschmutzten und teilweise sehr schlechten Erhaltungszustand auf. Abgesehen von zahlreichen Ausbrüchen, die die Reliefs während ihrer wechselvollen Geschichte erfahren hatten, ist auch die originale Farbfassung nur noch in reduzierter Form erhalten. Um Informationen zur ersten Polychromie und zu den möglichen Überarbeitungen zu erhalten, wurden im Naturwissenschaftlichen Labor des Bundesdenkmalamts entsprechende Untersuchungen durchgeführt.

Die konservatorischen Maßnahmen umfassten eine Wiederbefestigung von lockeren Reliefpartien, eine Reinigung und Freilegung der noch vorhandenen Reste der Farbfassung sowie eine partielle Festigung von gefährdeten Bereichen. Durch verschiedene Reinigungs- und Retuschiermethoden wurde versucht, ein ästhetisch nachvollziehbares, homogenes und authentisches Altersbild zu erreichen, ohne durch intensive Form- und Farbergänzungen in eine nicht gerechtfertigte Neuwertigkeit zu geraten.


Ausstellung






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  • Geißelung Christi, frühes 16. Jahrhundert Breitenbrunner Kalksandstein mit Resten der Erstfassung von 1581 Stephansdom, Wien 
© BDA, Foto: Irene Dworak
    Geißelung Christi, frühes 16. Jahrhundert Breitenbrunner Kalksandstein mit Resten der Erstfassung von 1581 Stephansdom, Wien © BDA, Foto: Irene Dworak
    Österreichische Galerie Belvedere
  • Geißelung Christi (Detail) nach der Restaurierung 
Stephansdom, Wien © BDA, Foto: Irene Dworak
    Geißelung Christi (Detail) nach der Restaurierung Stephansdom, Wien © BDA, Foto: Irene Dworak
    Österreichische Galerie Belvedere
  • August Stefan Kronstein Blick auf die Schatzkammer des Stephansdoms mit den Passionsreliefs,1882 
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien
    August Stefan Kronstein Blick auf die Schatzkammer des Stephansdoms mit den Passionsreliefs,1882 © Österreichische Nationalbibliothek, Wien
    Österreichische Galerie Belvedere
  • Altar-Installation nach 1945 für die im Krieg Gefallenen mit den sechs Passionsreliefs, St. Stephan, Apostelchor (Foto 1953) © Archiv der Dombauhütte St. Stephan, Wien
    Altar-Installation nach 1945 für die im Krieg Gefallenen mit den sechs Passionsreliefs, St. Stephan, Apostelchor (Foto 1953) © Archiv der Dombauhütte St. Stephan, Wien
    Österreichische Galerie Belvedere
  • Dornenkrönung, frühes 16. Jahrhundert Breitenbrunner Kalksandstein mit Resten der Erstfassung von 1581 Stephansdom, Wien 
© BDA, Foto: Irene Dworak
    Dornenkrönung, frühes 16. Jahrhundert Breitenbrunner Kalksandstein mit Resten der Erstfassung von 1581 Stephansdom, Wien © BDA, Foto: Irene Dworak
    Österreichische Galerie Belvedere