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Georg Friedric

Georg Friedrich Händel im Bilde

  • Ausstellung
    19.04.2009 - 12.07.2009
Georg Friedric

Wie stellt man sich Händel vor? Ein Apotheker hat ein anderes Bild von ihm als ein Musikliebhaber, ein Instrumentalist ein anderes als ein Historiker, Stadtmarketing und die Tourismus-Industrie suchen Zeichen, die ein Spezialist für Autographen nicht wahrnehmen würde. Alle jedoch haben eine gemeinsame Idee davon, wie dieser Händel aussah, auch wenn noch so vage bleibt, wo dieses „Bild" eigentlich herkommt.

Die Stiftung Moritzburg nimmt den 250. Todestag von Georg Friedrich Händel (1685-1759) zum Anlass, historische Porträts des Komponisten auf den Wegen ihrer späteren Aneignung zu begleiten. Es wird nachgezeichnet, wie die Vorstellung von einem Heroen der Musikgeschichte nicht einfach auf eine bedürftige Nachwelt kam, sondern von dieser auch entworfen wurde: Jedes Bild-Motiv unterliegt den Motiven seiner Annäherung. So wirft die Ausstellung erstmals die Frage auf, welche der authentischen Porträts von Händel für welche späteren Übertragungen Pate gestanden haben und auf welche Weise sie dabei verändert wurden. Zum Vorschein kommt bald, dass die zeitbedingte Motivverwertung zwar reich an Varianten, aber arm an ikonografischen Ausgangspunkten ist.

In diesem Zusammenhang ist vor allem ein Werk von entscheidender Bedeutung: Das Händel-Porträt von Thomas Hudson aus dem Jahr 1749, das bis heute in ungezählten Varianten weiter wirkt. Es ist das am meisten zitierte, am unwahrscheinlichsten verarbeitete und bis zur Unkenntlichkeit adaptierte Händel-Porträt. Präsentiert wird der Komponist als der Gigant seines Metiers, der dem Schicksal trotzt. Er triumphiert ungeachtet des Niederganges der italienischen Oper, mit der Händel in ganz Europa die größten Triumphe gefeiert hatte. In der Linken hält er, verweiskräftig genug, den Erstdruck des „Messiah", dessen unvergleichliche Erfolgsgeschichte gerade begonnen hatte, als dieses Bildnis entstand - ab 1749 beendet der „Messias" jede Londoner Spielsaison. Der Opern-Komponist Händel wird als Oratorien-Komponist noch einmal Musikgeschichte schreiben, und er wird sein Publikum zurückgewinnen. Dafür steht dieses Bild. Es ist als Porträt ein Bekenntnisbild, eine Proklamation und eine gezielte Ansage an die Nachwelt, indem seine Auffassung weit über das hinausgeht, was ein Bildnis als Repräsentationsfläche und Erinnerungsanlass, als Zertifikat einer persönlichen Erscheinung und als Statussymbol sonst zu leisten hätte - zumal für einen Komponisten dieser Zeit.

Das Bild so zu interpretieren, bedurfte es nicht einmal der Überlieferung, nach welcher Händel Änderungswünsche gegenüber dem Maler durchgesetzt habe. Worauf genau sie sich bezogen, weiß man ohnehin nicht. Umso wichtiger, dem Bild weniger als Bildnis zu glauben, sondern es mehr als ein konzipiertes Selbstbild zu betrachten. Man steht vor dem Porträt einer Person, die ihre Erscheinung in einem präzise kalkulierten Bildprogramm aufbaut. Dabei weist der Mann seine kostbare Garderobe als Standeszeichen ebenso vor wie er deren Bedeutung entkräftet, indem er sie achtlos aufgeknöpft darstellen lässt. Der offizielle und damit konventionelle Status der Hoffähigkeit wird durch diese Lässigkeit privatisiert und dem Erinnerungsstatus ein individuelles Charakterbild eingeschrieben. Attribute, Haltung und Gestik senden Signale des Unumschränkten und Unbedingten aus. Der stolze, aus dem Bild weisende Blick und die löwenhafte Perücke, die betont vertikale Haltung der aufragenden Leibestonne und nicht zuletzt die demonstrativ aufgestütze Faust geben eher ein Händel-Manifest als ein Händel-Porträt. Diese Akzentverschiebung von einer äußeren zu einer inneren Prachtentfaltung ist sicher auch der Grund für den durchschlagenden Erfolg dieses Bildnisses über die Jahrhunderte hinweg. Es schenkt der Nachwelt die Zeichen des Genies, der Unsterblichkeit und des Erfolges in den wenigen Merkmalen einer übermächtigen Eineindeutigkeit - die Inszenierung eines sich selbst komponierenden Stars.

Dem Fehlen einer solchen Bildstrategie dürfte es geschuldet sein, dass andere authentische Porträts von Händel nicht auf gleiche Weise in der Nachwelt weiterwirkten. Es gibt Adaptionen des späteren Hudson-Porträts (gemalt 1756), das den kranken, erblindenden und stillgestellten Händel im Sessel lehnend zeigt, die Faust jetzt am Stock, das Gesicht grämlich und abweisend. Und es gibt einen Porträt-Stich von Jacob Houbraken (1738), der durch Arabesken und komplizierte Allegorien im Rahmenfeld prunkt - aber es kann sie heute keiner mehr lesen, so das zuletzt nur noch die Verzierung wirkt: Das Porträt bedurfte als Vorlage drastischer Reduktionen, um für spätere Zeiten überhaupt brauchbar zu werden. Schließlich ist auch das in der Ausstellung zu sehen: die geistige Verkleinerung, das Weglassen von Details und Attributen, die Vergröberung, die Verzeichnung der Urmotive durch Massenverbreitung verhärmen das Porträt immer mehr zum Signet. Das entscheidende Signal der Ausstellung jedoch ist, dass dies von Anfang an geschieht - und nicht erst in der Epoche der Andenken-Industrie.

So steht der Besucher in einer Ausstellung, die ein vielgestaltiges Ableitungssystem von Motiven nachzeichnet. Es reicht von Stichen und Illustrationen des 18. und 19. Jahrhunderts über Karikaturen, Kaffeepötte, Plakate und Münzen bis zu den Geschenkartikeln der Souvenirläden. Man schreitet zwischen den etwa 150 Exponaten gewissermaßen von einer Attrappe zur anderen, wobei die Kopie der Kopie allein schon dadurch interessant wird, als ihr Rückbezug immer unbewusster oder kenntnisloser stattfindet. Die Urbilder scheinen als tradierte Formen zwar noch durch, aber sie zeigen nur noch die Typologie eines vergessenen Sinns: Niemand weiß eigentlich mehr, wo die Vorlage herkommt und was sie über den Wiedererkennungseffekt hinaus ursprünglich bedeutet hat. Die Ausstellung sucht im Gesamtbild „Händel" also auch den Kern dieses Vergessens auf.

(Text: Michael Freitag, Kurator und Kustos Grafisches Kabinett)


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  • Plakat Händelfestspiele Halle 1952, Porträt nach dem Denkmal von Hermann Heidel (1859), Stiftung Händel-Haus Halle; Foto: Ludwig Rauch
    Plakat Händelfestspiele Halle 1952, Porträt nach dem Denkmal von Hermann Heidel (1859), Stiftung Händel-Haus Halle; Foto: Ludwig Rauch
  • Anonyme Lithografie nach einem Stich von William Bromley nach einem Gemälde von Thomas Hudson, Mitte 19. Jahrhundert, Stiftung Händel-Haus, Halle; Foto: Ludwig Rauch
    Anonyme Lithografie nach einem Stich von William Bromley nach einem Gemälde von Thomas Hudson, Mitte 19. Jahrhundert, Stiftung Händel-Haus, Halle; Foto: Ludwig Rauch