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Phantasie an d

Phantasie an die Macht – Politik im Künstlerplakat

Phantasie an d

Eugène Delacroix hatte 1830, unter dem Eindruck der Julirevolution in Paris, sein Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ (La Liberté guidant le peuple) gemalt und damit den Prototyp des Revolutionsbildes geschaffen. Die Verkörperung der Freiheit ist stets weiblich, kraftvoll und weist den Weg in die Zukunft. Zu den Attributen dieser Allegorie gehören die rote Fahne, gesprengte Fesseln und wehende Haare. Sie ist eng verwandt mit den Personifikationen des Friedens und der Republik, die im 19. Jahrhundert das fortschrittliche Gegenbild zur Monarchie war. Diese Allegorien, die mit ihren Vorläufern weit in die europäische Kunstgeschichte zurückreichen, fanden über Steinlen ihren Weg in die revolutionäre Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg. Und wenn Niki des Saint-Phalle eine ihrer Nanas, ihrerseits eine Verkörperung der modernen Frau, die Macht einfordern lässt, so bewegt sie sich in derselben Tradition.

Plakate, entworfen von bildenden Künstlern und nicht von Grafikern oder Designern, fallen durch ihre individuelle Bildsprache auf, die nicht auf schnelle Lesbarkeit oder allgemeine Verständlichkeit ausgerichtet ist. Dies gilt auch für politische Künstlerplakate, die sich auf den ersten Blick von anderen politischen Plakaten unterscheiden, etwa von der Plakatpropaganda autoritärer Staaten oder auch von den oft langweiligen Wahlplakaten der westlichen Demokratien. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Künstlerplakate eher eine Ausnahme. Erst nachdem sie in Paris in den 50er Jahren mit großem Erfolg eingeführt worden waren, entwickelten sie sich in den 60er Jahren zu einem regelmäßigen Begleiter des internationalen Kunstbetriebes. Zumeist warben die Plakate für eigene Ausstellungen der Künstler oder auch für andere kulturelle Veran- staltungen – und nur im Ausnahmefall ging es um politische Themen. Diese spielten erst im Protestjahr 1968 eine bedeutendere Rolle. Nun begann auf einmal eine größere Zahl von Künstlern mit Plakaten Stellung zu nehmen. Themen waren der Vietnamkrieg, der Pariser Mai 1968 und überhaupt ein Aufbegehren gegen die bewaffneten Mächte des Kalten Krieges.

Diese Protestzeit fand 1972 ihr Ende, als in den USA mit dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern und in Deutschland mit dem SPD-Kanzler Willy Brandt Ziele der Protestbewegungen ihren Weg in die offizielle Politik fanden. Dafür kamen neue Themen und neue Formen der Veröffentlichung auf. In zum Teil umfangreichen Plakatserien, veröffentlicht von der UNESCO oder von internationalen Menschenrechtsorgani-sationen, äußerten sich Künstler in den 70er Jahren gegen die Apartheid in Südafrika, sie verurteilten die Folter in Südamerika oder setzten sich für die Selbstbestimmung des von Franco unterdrückten Katalonien ein. Ein großes neues Thema der 70er und 80er Jahre war der Umweltschutz. Wenig später kam die Forderung nach gleichen Rechten auf, nach der „politisch korrekten“ Behandlung Andersdenkender und Benachteiligter. Das Ende des Kalten Krieges und ein neuer Blick auf den ganzen Erdball, in politischen Zusammenhängen als Globalisierung charakterisiert, schlugen sich auch in den Plakatthemen vieler Künstler nieder. Allen voran organisierte Robert Rauschenberg eine internationale, alle Feindschaften und Grenzen überschreitende Ausstellungstour. Das Goethe-Institut initiierte eine bemerkenswerte Serie von Großplakaten, die unter dem Motto „I am you“ das Miteinander aller Menschen betonte.

Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit: unter dieser Parole der französischen Revolution lassen sich auch heute noch die Inhalte dieser Künstlerplakate zusammenfassen. Gleiche Rechte, ein freiheitliches Leben und ein brüderlicher Umgang miteinander – derart idealistische Ziele muten angesichts der heutigen Welt romantisch und naiv an. Doch anders als Wahl- oder Propagandaplakate müssen die politischen Plakate von bildenden Künstlern sich nicht an realistische Ziele halten; sie müssen niemanden verherrlichen und nichts beschönigen. Sie können unabhängig von kommerziellen oder politischen Erwägungen Partei ergreifen, sie können motivisch und im Grunde genommen auch inhaltlich völlig frei mit dem Thema umgehen. Bemerkenswert dabei ist, dass das Engagement der modernen Künstler sich fast nie auf Seiten der Machthabenden findet. Anders als in der Welt der Politik, wo Interessengegensätze aufeinander treffen und ausgefochten werden, scheint in der Welt der bildenden Kunst ein großer Konsens zu herrschen, der demokratische Rechte und die Freiheiten des Einzelnen zum Ziel hat.

Warum lässt sich ein arrivierter Künstler darauf ein, zu einem aktuellen und politischen Thema Stellung zu beziehen? Zeichnet sich nicht freie Kunst gerade dadurch aus, dass sie unabhängig von Auftraggebern entsteht? Zwar dürfte die Freiheit der formalen Gestaltung stets gegeben gewesen sein – denn welcher Auftraggeber schreibt heute noch einem Künstler seine Motive vor – doch bleibt es eine Tatsache, dass, angefangen von den Expressionisten in den 20er Jahren bis zu den Konzeptkünstlern von heute, die Entwerfer dieser Plakate zu Themen Stellung nehmen, die an sie herangetragen wurden. Sie wurden gebeten mit ihren besonderen Fähigkeiten eine Veranstaltung anzukündigen oder sich gegen konkrete Ungerechtigkeiten auszusprechen. Normalerweise ist dies die Aufgabe von Grafikdesignern, zu deren Profession es gehört, Inhalte in einer gleichermaßen prägnanten wie allgemein verständlichen Weise auszudrücken.


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    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
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