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Wien Museum

Wiener Typen - Klischees und Wirklichkeit

Wien Museum

Als „Wiener Typen“ bezeichnete man Straßenhändler, ambulante Kleinhandwerker und andere als stadttypisch geltende Figuren, die zumeist der Unterschicht angehörten. In populären Bildserien wurden sie „typisiert“ und oft klischeehaft dargestellt. Ob Scherenschleifer oder Wäschermädel, Schusterbub oder Werkelmann, Lumpensammler oder Lavendelfrau – die urbane Folklore machte aus ihnen im ausgehenden 19. Jahrhundert Relikte einer vertrauten, jedoch verschwindenden Welt, im Schatten der Modernisierung personifizierten die „Wiener Typen“ das „urtümlich“ Wienerische. Zwischen Klischee und Wirklichkeit gab es einen ständigen Transfer: Die „Typen“ waren Kunstprodukte, die der Wirklichkeit entnommen wurden. Drei sind selbst heute noch imagebildend für die Stadt: Fiaker, Kellner und Heurigenmusiker.

Vorläufer „Kaufrufe“
Vorläufer des „Typen“-Genres waren die „Kaufrufe“, druckgrafische Serien mit Protagonisten des „einfachen Volks“, die in vielen europäischen Metropolen ab dem 16. Jahrhundert populär waren und in Wien im 18. Jahrhundert aufkamen. Ihr Name bezieht sich auf die eindringlichen Rufe, mit denen Straßenhändler und Hausierer im Lärm der Stadt auf sich aufmerksam machten und ihre Waren anpriesen. Das Wien Museum verfügt über einen großen Bestand sowohl an „Kaufruf“-Serien als auch an den späteren Darstellungen von „Wiener Typen“ und präsentiert diese kulturhistorischen Highlights nun erstmals umfassend in einer Ausstellung.

Egal welches Medium: Fast immer bleiben die realen Lebensumstände der Dargestellten ausgeblendet. In Schlaglichtern konfrontiert die Ausstellung den taxierenden „Blick von oben“ auf die Unterschicht mit deren hartem Arbeitsalltag, der von bitterer Armut und extremer körperlicher Belastung geprägt war. Die Ausstellung bietet nicht nur einen sozialhistorischen Blick auf die Unterprivilegierten, sondern erzählt zugleich eine aufschlussreiche Geschichte von „verschwundenen Berufen“.

Von Zierfiguren bis zu Mandlbögen
Die Ausstellung beginnt mit den frühesten Wiener „Kaufruf“-Darstellungen, die 1745 als Porzellanfiguren auf den Markt kamen und im Rokoko als festliche Tischdekoration beliebt waren. Ob Kesselflicker oder Obstfrau: Die noble Gesellschaft schätzte den Reiz des Exotischen und sah im unsteten Wanderleben ein Sinnbild einer natürlichen, abenteuerlichen Lebensweise. Als erstes großes Werk der im 18. Jahrhundert gegründeten Wiener Kupferstichakademie folgte der sogenannte Große Kaufruf, eine ab 1775 erscheinende, berühmte Serie nach Zeichnungen von Johann Christian Brand. So lebendig die Figuren hier wirken, so stark sind sie doch entindividualisiert und entsprechen festgelegten Rollenmustern. Mit Brands Kaufruf setzte ein Boom ein. Eine billigere Volksausgabe (der „kleine Kaufruf“ nach Vorlagen von Jakob Adam) wurde aufgelegt, die erstmals viele Frauenberufe aufnahm, über die Wanderarbeiter hinaus auch Stadtbewohner berücksichtigte und durch Wienerische Bildunterschriften den Figuren Lokalkolorit verpasste. Die Konkurrenz unter den Verlagen verstärkte sich um 1800 noch weiter, mit der Lithografie konnten höhere Auflagen günstiger produziert werden. Enorme Verbreitung fanden die Kaufruf-Darstellungen im Biedermeier durch „Mandlbögen“ zum Ausschneiden und Spielen für Kinder und Erwachsene: eine pädagogische Übung, die die gesellschaftlichen Rolle der Unterschicht und die „natürliche“ Standesordnung spielerisch fortschrieb.

Bei den Darstellungen des Prager Künstlers Georg Emanuel Opitz traten die Wiener Typen erstmals nicht einzeln, sondern im städtischen Treiben auf – allerdings wie auf eine Theaterbühne gestellt. Eine kritische Note weisen die spöttischen Blätter von Anton Zampis (1840er Jahre) auf, in denen auf soziale Missstände hingewiesen wird. Auch im Feuilleton und vor allem im Theater griff man nun gern auf „Volksfiguren“ zurück. Die große Zeit der Kaufrufe war zwar schon ausgeklungen, doch lebten sie massenmedial auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter, sei es als bunte Reklamebilder, die Waren beigegeben wurden, oder als Bildpostkarten.

Wiener Typen im Fotostudio
Ab den 1870er Jahren kam dann die Bezeichnung „Wiener Typen“ auf, ein Beispiel dafür ist Otto Schmidt, der das Figurenrepertoire erstmals in Fotoserien präsentierte, zunächst im Atelier, später dann auch auf der Straße aufgenommen (und fallweise mit Kostümen ausgestattet). Mit dem Modernisierungsschub stieg das Bedürfnis nach dem Festhalten des Verschwindenden, viele Hobbyfotografen suchten sich „Alt-Wiener“ Motive und fotografierten Straßenfiguren in authentischer Umgebung. Künstliche Typen kamen hinzu: Neben dem „Pülcher“, dem Inbegriff des proletarischen Nichtstuers und Kleinkriminellen, erfand der Journalist Eduard Pötzl den „Gigerl“, einen geckenhaften Modenarren, der Feuilletonist Vinzenz Chiavacci wiederum schuf die „Frau Sopherl vom Naschmarkt“ als Urbild der derben „Öbstlerin“, deren „Maul wie ein Schwert“ war. Sie alle dominieren noch lange das Bild Wiens und der WienerInnen im 20. Jahrhundert, auch wenn sie kontinuierlich aus dem Stadtbild verschwanden. Eine echte Renaissance erlebte der Fiaker, der nach dem 2. Weltkrieg zur Paradefigur der Wiener Gemütlichkeit aufstieg und dem „typische“ Wiener Eigenschaften zugeschrieben wurden: Er ist derb, aber herzlich, stolz und lebenslustig, herrisch und unterwürfig zugleich.






  • 25.04.2012 - 26.10.2013
    Ausstellung »
    Wien Museum »

    Ausstellungsdauer: 25. April bis 6. Oktober 2013

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr

    Spezialführungen
    Jeweils Sonntag, 16 Uhr
    26. Mai: Wolfgang Kos (Historiker, Kurator der Ausstellung)
    9. Juni: Peter Payer (Stadtforscher)
    23. Juni: Gertraud Schaller-Pressler (Wienerlied-Forscherin)
    1. Sept.: Susanne Breuss (Kulturwissenschaftlerin, Co-Kuratorin der Ausstellung)
    8. Sept.: Rudi Palla (Filmemacher, Autor „Verschwundene Berufe“)
    15. Sept.: Hansjörg Krug (Experte für Druckgrafik und Viennensia)
    22. Sept.: Felix Taschner (Ethnologe, Co-Kurator der Ausstellung)

    Eintrittspreise:
    Erwachsene EUR 8,-
    SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen EUR 6,-

    FÜR ALLE UNTER 19:
    Freier Eintritt!*
    FÜR ALLE AB 19:
    Freier Eintritt jeden ersten Sonntag im Monat
    (Dauer- und Sonderausstellungen)*
    (*ausgenommen Mozartwohnung im Mozarthaus Vienna)

Wäschermädel, 1886 aus der Fotoserie „Wiener Typen“ von Otto Schmidt © Wien Museum


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  • "Blumenmädchen", 1903 Josef Engelhart Gemälde © Wien Museum
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  • Scherenschleifer, um 1820 Josef Lanzedelli Lithografie © Wien Museum
    Scherenschleifer, um 1820 Josef Lanzedelli Lithografie © Wien Museum
    Wien Museum
  • "Sänger und Geiger in einem Hinterhof", um 1910 Moriz Jung / Wiener Werkstätte Bildpostkarte © Wien Museum
    "Sänger und Geiger in einem Hinterhof", um 1910 Moriz Jung / Wiener Werkstätte Bildpostkarte © Wien Museum
    Wien Museum
  • Leiermann, um 1835 Unbekannter Künstler Aquarell © Wien Museum
    Leiermann, um 1835 Unbekannter Künstler Aquarell © Wien Museum
    Wien Museum
  • Salamiverkäufer, um 1780 Johann Christian Brand Kupferstich © Wien Museum
    Salamiverkäufer, um 1780 Johann Christian Brand Kupferstich © Wien Museum
    Wien Museum
  • "Hallo Dienstmann!", 1952 Filmprogramm © Wien Museum
    "Hallo Dienstmann!", 1952 Filmprogramm © Wien Museum
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  • "Flitscherl", um 1910 Fritz Winter Ansichtskarte © Wien Museum
    "Flitscherl", um 1910 Fritz Winter Ansichtskarte © Wien Museum
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