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Zum 20. Juli:

Zum 20. Juli: Erinnerung an den Hitler-Gegner Eugen Rosenstock - Huessy

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Der Mentor des „Kreisauer Kreises" und von Moltkes wird wieder entdeckt
Mössingen, 20.07.2010 - Eines der wichtigsten Werke des Universalgelehrten, des scharfen Kritikers des Nationalsozialismus und Mentors des „Kreisauer Kreises", Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973) ist als „Talheimer Ausgabe" nach fünfzig Jahren wieder zugänglich. Rosenstocks „Soziologie" heißt wieder „Im Kreuz der Wirklichkeit - Eine nach-goethische Soziologie". In ihrem Vorwort beschreibt die Verlegerin Irene Scherer die Stellung und Bedeutung des lange Zeit vom Buchmarkt verschwundenen Werkes.

Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass eines der wichtigsten Werke von Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973), einem universalen, einflußreichen Gelehrten und scharfen Gegner des Nationalsozialismus, im deutschen Sprachraum verlegt wurde. Als 1956 und 1958 die beiden Bände der Soziologie erschienen, empfand es der christliche Denker Rosenstock-Huessy selbst als tiefen Einschnitt: „Erst jetzt ist mir so ganz bewußt, wie ich, seitdem ich denken kann, mit diesem Plan aufgestanden und schlafen gegangen bin und alles im Hinblick auf ihn studiert, gelesen, gelehrt, gedacht habe. Nie hätte ich geglaubt, ich müßte siebzig Jahre alt werden, um ihn durchzuführen." Eigentlich hätte das Werk „Im Kreuz der Wirklichkeit" heißen sollen. Doch der damalige schwäbische Verleger drängte auf den Titel „Soziologie".

Fünfzig Jahre danach ist soeben das längst vergriffene und bei vielen vergessene Hauptwerk von Eugen Rosenstock-Huessy nun endlich wieder in fachlich betreuter Fassung erschienen. Vollständig, ohne verlegerische Streichungen und unter seinem ursprünglichen Titel bringen Michael Gormann-Thelen, Ruth Mautner und Lise van der Molen zusammen mit Irene Scherer vom 1988 im Schwäbischen gegründeten Talheimer Verlag das Werk nach mehr als dreizehnjähriger ehrenamtlicher fachlich solider Bearbeitung mit ergänzendem Apparat neu heraus. Nicht in zwei sondern in drei Bänden geschieht dies, wie es der Autor selbst schon Ende der fünfziger Jahre wünschte: „Vielleicht setzen Sie nach meinem Tod die Dreiteilung durch. Hier gebe ich meinen Segen dazu."

Dieses Werk Eugen Rosenstock-Huessys war und ist eine Herausforderung. Nicht nur die disziplinäre Wissenschaft, sondern auch Theologen und Philosophen werden mit einer anderen, eingreifenden Methode konfrontiert: „Jedes Thema verlangt seine eigene Methode. Man kann die Äpfel in einem Korbe nicht dadurch zählen, daß man sie anspricht; man muß sie zählen. Die Menschen aber kann man nicht erkennen, indem man sie zählt; man muß sie anerkennen. Dies ist die Methode unseres Werks." Rosenstock-Huessy legt Offenheit zugrunde: „Wir werden die Soziologie als die Wissenschaft behandeln, mit deren Hilfe wir uns die menschliche Gesellschaft gemeinsam vergegenwärtigen, so wie der Chemiker sich die Elemente vergegenwärtigt. Denn die menschliche Gesellschaft besteht aus Menschen, die einander gegenseitig anerkennen, trotzdem sie sich noch gar nicht oder nur teilweise kennen." Entschlossen geht er einen eigenen Weg: „Die Soziologie ist mithin keine Geisteswissenschaft im Sinne alter Universitätsüberlieferungen und erst recht keine Naturwissenschaft im modernen Sinne. Dennoch ist Soziologie echte Wissenschaft, genau wie das, was seit achthundert Jahren Wissenschaft heißt. Denn ihr Verlangen geht auf Vergegenwärtigung."

Rosenstock-Huessys Ansatz der „Vergegenwärtigung" sieht den Menschen in seinem Eingebettetsein in die geschichtlichen Abläufe und in seinem Verwobensein mit der Rolle und Bedeutung der Sprache. Der „unreine Denker", wie er sich selbst nannte, sucht das Gemeinsame der Menschen, auch das Gemeinsame in den verschiedenen Kulturen, Religionen und Glaubensrichtungen. Die „Krise Europas", die sich in den beiden Weltkriegen zeigte, markiert für ihn einen Wendepunkt in der Menschengeschichte.

An der Figur Goethes beschreibt Rosenstock-Huessy den beginnenden Vorschein einer realen Möglichkeit für eine humane Welt: „Erst die Generation der Weltkriege hat tatsächlich alles verlernt, was an Erbweisheit den Völkern des sogenannten Ancien Régime (der Zeit von 1100 bis 1789), also der Jugendzeit Goethes und Saint-Simons, vertraut war; erst wir verstanden weder in ritterlicher Art Krieg zu erklären noch in christlicher Art Frieden zu schließen. Dies beides aber war das Kennzeichen der christlich-ritterlichen Staatenwelt. Heute also erst ist diese Vergangenheit zu Ende gelebt, sind ihre Kräfte endgültig aufgebraucht. So erscheint uns denn auch Goethe, der in seinem FAUST diese ritterliche christliche Welt noch einmal verklärt hat und so mit seinen Werken im ,Ancien Régime‘ wurzelt, gerade heute als der erste Mensch, der sein Leben bereits wie wir leben mußte, jenen Bindungen entwachsen, dennoch keine einzige von ihren in Staat und Kirche verachtend, einer nicht mehr ritterlich-christlichen, sondern menschlichen Neuwelt vorauslebend."

Der Gefahr der Entwurzelung des Individuums setzt Rosenstock-Huessy die Möglichkeit einer neuen Ganzheitlichkeit entgegen. Dabei gilt im das Soziale theoretisch und praktisch als dominant wesentlich. Sein dialogischer Weg des Denkens und Vermittelns, seine Ansprache des Menschen als Teil der Subjektwerdung, der „Du-Werdung" im Angesprochen-Werden, weiß er sich mit anderen herausregenden Denkern der europäischen Geistesgeschichte verbunden.


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