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Body Performance

Irritationen begegnen uns ebenfalls bei Cindy Sherman, und zwar bereits in der frühen kleinformatigen Schwarz-Weiß- Serie „Untitled Film Stills“, in der sie Ende der 1970er-Jahre wie eine Schauspielerin in immer neue Rollen zu schlüpfen scheint. Mal steht die junge Frau im Bad und betrachtet sich im Spiegel, mal schaut sie, auf einer niedrigen Fensterbank sitzend, aus dem Fenster einer Wohnung. Auf anderen Bildern taucht sie im urbanen Raum auf; es scheinen unspektakuläre Alltagsbeobachtungen zu sein, die jedoch bewusst inszeniert sind, mit sich selbst als Akteurin. Die Idee des Rollenspiels setzt sie später fort, wobei sie sich in den farbigen, unbetitelten Selbstporträts aus dem Jahr 2000 auch schon mal hinter dicken Schminkschichten und Perücken, Masken oder Brustprothesen versteckt. Im Spiel mit Veränderung, Camouflage und Repräsentanz zitiert Sherman natürlich auch das Medium Film.

Barbara Probst hingegen überrascht mit einer unvergleichlichen, spielerisch-experimentellen Mischung aus klassischer Straßenfotografie, Porträt, Stillleben und neuerdings auch Mode. Ihre Aufnahmen arrangiert sie zu Diptychen, Triptychen und gelegentlich zu wandfüllenden Tableaus bestehend aus einem Dutzend Einzelbildern in Schwarzweiss und Farbe; sie tragen stets den gleichen Titel, „Exposures“, zusätzlich individualisiert mit einer Bildnummer, dem Aufnahmeort und dem auf die Minute genauen Datum. Denn sie fotografiert die gleiche Situation mit mehreren Kameras aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeitgleich, sekundengenau ausgelöst mit Radiowellen.

Inez von Lamsweerde und Vinoodh Matadin irritieren – als Fotografenpaar Inez & Vinoodh – seit den 1990er-Jahren die Modebildwelt mit irrealen Körperbildern, etwa durch Bildmanipulationen entstandene Verschmelzungen von realen Menschen und Puppen oder von Männern und Frauen. So erweitern Inez & Vinoodh nicht nur gängige Darstellungsmodi von Editorial und Werbung, sondern sogar die Grenzen der Realität; einzelne Personen werden beispielsweise digital aus einem Bild eliminiert, und zurück bleibt eine entsprechende Fehlstelle, oder die Geschlechter und Hautfarben ihrer Protagonist*innen sind radikal verändert.

Yang Fudongs Schwarz-Weiß-Fotografie ist inspiriert vom französischen Film Noir und den noch früheren Shanghai- Filmen, also aus einer Zeit, als die chinesische Hafenstadt noch sehr vom Westen inspiriert war. Mit seinen melancholischen Aktaufnahmen scheint er eine zeitlose Vergangenheit zu beschwören; auch in seinen eigenen Filmen begegnet uns eine vergleichbar reduzierte und rätselhafte Narration. Nacktheit so offen zu zeigen, gilt in großen Teilen der chinesischen Gesellschaft noch immer als provokant. In der Serie „New Women“ sitzen oder stehen einzelne oder mehrere nackte Frauen in einer spärlich und zugleich luxuriös ausgestatteten Studio-Bühne. Die Fotografien wirken wie Standbilder des eigenen, parallel entstandenen Videofilms.

Robert Longo realisierte seine Fotosequenz „Men in the Cities“ Ende der 1970er-Jahre auf dem Dach seines Lofts an der Manhattan Bridge in New York. Wir sehen Menschen in unnatürlichen Posen, deren Bewegungen fotografisch eingefroren sind; es könnten wilde Tänze sein oder Zitate aus amerikanischen Western, aus Kriegs- oder Gangsterfilmen, etwa wenn einer der Protagonisten im Kugelhagel stirbt. Tatsächlich war es ein solcher Filmstill aus Fassbinders „Der amerikanische Soldat“ (1970), der Longo zu dieser performativen Bildserie inspirierte. Seine Modelle wichen schwingenden oder geworfenen Gegenständen aus, während Longo sie fotografierte. Robert Mapplethorpe wiederum choreographierte 1980 nur eine Person – die ehemalige Bodybuilding-Weltmeisterin Lisa Lyon, die sich selbst als Bildhauerin des eigenen Körpers bezeichnete – im Körperanschnitt auf einem Felsen im kalifornischen Yoshua-Tree-Nationalpark liegend. Mapplethorpe zeigt uns in diesem ungewöhnlichen Freiluft-Setting eine Art Ballett-Choreographie und hinterfragt gleichzeitig Klischees stereotyper Weiblichkeit. Newton fotografierte Lyon etwa zeitgleich und war ebenso fasziniert von ihrem muskulösen Körper. Mit dieser im wahrsten Wortsinn starken Frau schließt sich in der Ausstellung „Body Performance“ ein Kreis.

So sehen wir in der Helmut Newton Stiftung die unterschiedlichsten Ansätze und Ausprägungen für künstlerische Aktionen und Körper-Performances: Menschen tragen Kleidung für ungewöhnlich inszenierte Modebilder, sie agieren vermeintlich irrational auf Straßen und Hochhausdächern oder bewegen sich minimalistisch auf Felsen und in Museumsräumen, schließlich als Tänzer und Tänzerinnen auf und neben der Bühne. In der Ausstellung begegnen uns Rollenspiele und Grenzüberschreitungen des Körperlichen – zeitgenössische fotografische Blicke auf die verschiedensten visuellen Aspekte zu Körper und Raum, Tanz und Bewegung. Und so geraten in unserer Rezeption auch Fragen von Fremd- und Selbstwahrnehmung, von Identität und Emotion in den Blick.

Die aktuelle Ausstellung Helmut Newton. SUMO / Mark Arbeit. George Holz. Just Loomis. THREE BOYS FROM PASADENA / Photo Collection of Helmut and June ist noch bis zum 10. November 2019 zu sehen.








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  • Yang Fudong New Women III, 2013 © Yang Fudong, courtesy Sammlung Wemhöner
    Yang Fudong New Women III, 2013 © Yang Fudong, courtesy Sammlung Wemhöner
    die helmut newton stiftung im museum für fotografie
  •  Vanessa Beecroft VB55 - Performance, 2005, VB55.004.NT, Neue Nationalgalerie, Berlin, 2005 © 2019 Vanessa Beecroft
    Vanessa Beecroft VB55 - Performance, 2005, VB55.004.NT, Neue Nationalgalerie, Berlin, 2005 © 2019 Vanessa Beecroft
    die helmut newton stiftung im museum für fotografie
  • Robert Mapplethorpe Lisa Lyon, 1980 © Robert Mapplethorpe Foundation
    Robert Mapplethorpe Lisa Lyon, 1980 © Robert Mapplethorpe Foundation
    die helmut newton stiftung im museum für fotografie