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Hans Schabus Der lange Morgen

Das Nichtstattfinden dieser Ereignisse –diese Abwesenheit in Raum, Zeit und Erfahrung –ist eines der Materialien, die Hans in dieser Ausstellung verwendet. Man könnte hier eine verschwindende Handlung sehen, die sich wie eine kaputte Schallplatte oder eine Störung wiederholt. Dazu kommen die Assoziationen und Erinnerungen, die wir vielleicht haben, wenn wir nicht nur daran denken, wann wir das letzte Mal Live-Musik gesehen und gehört haben, sondern auch an die Referenzen, mit denen Hans spielt: die kinky-kitschige Apokalypse von Iron Maiden (Apokalypse ist abgesagt, Jungs!), Dua-Lipas Zukunfts-Nostalgie-Tour (eine ironische Wendung einer bereits groovigen, aber verwirrenden Ironie) und natürlich Guns N’Roses (welcome to the jungle baby), Pet Shop Boys und Patti Smith, all diese nostalgische Musik, die nie verschwindet, nie verschwinden kann, wird auseinandergeschnitten und wieder zusammengesetzt. Es gibt eine Art visuelles Wortspiel, in seinem Zerlegen und wieder Zusammensetzen dieser Plakate, bestehend aus popkulturellen Assoziationen, unseren individuellen und kollektiven Erinnerungen und Erfahrungen und unserem individuellen und kollektiven Vergessen. Die Arbeit wird durch das Ausbleiben dieser Ereignisse angeheizt, wie individuelle Formen von Zeitreisen im Kopf oder ein plötzlicher Ausbruch in ein Paralleluniversum, das aus Fragmenten verschiedener verlorener oder möglicher Zeiten besteht.

Und dann präsentiert er uns eine Bühne, die aus diesen Plakaten oder bessergesagt aus Plakatvorlagen besteht. Deshalb sehen wir manchmal einen einfachen Text, manchmal gespiegelten odermanchmal gespiegelten und auf den Kopf gestellten Text. Hans nutzt die Mechanismen der Plakatherstellung so, wie sie sich darstellen. Figuren aus Aluminiumschablonen und das Gerüst der Bühnentechnik erscheinen wie unbeholfene Geister, die eine nicht vorhandene Menschenmenge widerspiegeln. Als ich diese Bühne sah, erinnerte sie mich sofort an die Außenskulptur, die der Künstler Kristan Horton 2008 für die Nuit Blanche in Toronto geschaffen hatte. Nuit Blanche ist das Äquivalent zur Langen Nacht der Museen. Von weitem hörte man eine jubelnde, manchmal auch johlende Menge, und wenn man sich näherte, sah man den Bühnenapparat und die Scheinwerfer. Aber dann war da niemand. Aus den Lautsprechern dröhnte ein aufgezeichneter Sprechgesang der Menge. Kristan parodierte eindeutig das Spektakel der Nuit Blanche (die bis zu 1 Million Besucher in einer Nacht zählt) mit dieser tautologischen Art der Präsentation einer Bühne im Dunkeln, bei der wir uns aufgeregt versammeln, um zu beobachten, nur um dann festzustellen, dasswir ausgetrickst wurden. Auch Hans beschäftigt sich mit diesem Aspekt des Spektakels und der Bedeutungslosigkeit, wenn auch vielleicht weniger pointiert. Er überlässt es uns, darüber nachzudenken und uns mit den Ideen der „neuen Normalität“ oder der „Rückkehr zu guten alten Zeiten“ auseinanderzusetzen, die vor allem in Bezug auf Kunst und Unterhaltung im Umlauf sind. Vielleicht will er uns damit auch sagen, dass wir uns vor der Gefahr hüten sollten, dass das Spektakel wieder an die Stelle der kontemplativen Beschäftigung tritt. Wir können ihn später bei einem Bier fragen.

Zu guter Letzt möchte ich noch das klemmende Garagenschiebetor erwähnen. Shut the Fuck Down, so heißt es, und der Umstand, dass ich das F-Wort vorhin benutzt habe, scheint gerechtfertigt. Hans hat die Schiebetür seines Ateliers nachgebaut und es als Eingriff in die elegante Architektur dieser schönen Galerie mitgebracht. Es ist eine weitere Erinnerung daran, dass wir hier Betrachtungen über das Universum, quasi aus dem Handgelenk heraus, präsentiert bekommen. Das heißt, das Universum windet sich spiralförmig von ihm aus, und hier wieder der Verweis, zurück zu seinem Atelier. Allerdings ist dies keine explizit egoistische oder solipsistische Erfahrung, sondern eher eine kollektive, jedermenschliche Geste des Teilens, da wir auf seine Reise eingeladen sind und nicht von ihm belehrt werden, was das alles zu bedeuten hat. Er leistet die Vorarbeit, manchmal sogar ziemlich schwindelerregend, und wir können mitmachen, wie es uns gefällt.

Einer meiner Lieblingsaspekte an Hans’Arbeit ist ihre Zugänglichkeit. Das spiegelt sich sicherlich auch in seiner skurrilen Verwendung eines halbindustriellen Garagentors in dieser Ausstellung wider. Hans’Arbeit bietet uns durch ihre Präsenz, ihre Ähnlichkeit und ihr Echo auf das Alltägliche einen poetischen Blick auf unsere gemeinsamen Wahrnehmungen; auf das, was geschehen ist, auf das, was nicht geschehen ist, obwohl es hätte sein können, und auf das, was jetzt vor uns liegt.






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