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Dierk Schmidts

Dierk Schmidts "SIEV-X – Zu einem Fall von verschärfter Flüchtlingspolitik"

  • Ausstellung
    09.04.2009 - 06.09.2009
    Städel Museum »
Dierk Schmidts

Das Ringen um Realismus und Rekonstruktion im Umgang mit dem sich nur in Bruchstücken erschließenden Ereignis lässt sich in „Xenophobe" ablesen. Das wie fast alle Bilder auf Industriefolie (hier einer schwarzen Teichfolie) gemalte namenlose Flüchtlingsschiff wird nur in Teilen wiedergegeben. Im Patchwork der Informationen überlagern einander verschiedene Handlungs- und Zeitebenen. Wo Information fehlt, bleibt das Bild schwarz, bleiben die Personen gesichtslos. Jedes ausgeführte Detail beinhaltet gleichzeitig wesentliche Informationen. So ist zu sehen, wie das Schiff bereits während der Einschiffung leckt, der politisch verantwortliche Minister auf dem Display eines Bildtelefons erscheint oder Uniformierte die Flüchtlinge am Verlassen des Schiffes hindern.

Den Gegenpart zu Géricaults „Floß", Delacroix' „Freiheit auf den Barrikaden", übersetzt Schmidt in überraschender Weise. Während die Flüchtlinge auf tragische Weise am Überschreiten der Außengrenze Australiens scheitern, sehen wir hier ein Bild nach einem WM-Werbefilm der Firma Nike von 1998: Dribbelnd und mit dem Ball jonglierend dringt der brasilianische Fußballstar Ronaldo mit seinen Mannschaftskollegen in den exterritorialen Bereich eines internationalen Flughafens ein. Die Freiheit zur Überwindung der Barrikaden verdankt sich nun allerdings keiner Revolution, sondern einem kommerziell- medialen Starkult, der den Fußballer zu einer privilegierten, außerhalb des Rechts stehenden Persönlichkeit macht. Es ist gerade dieses Moment der Aufhebung des Rechts, das zum Tertium Comparationis der Bilder Schmidts wird.

Von diesem zentralen Triptychon ausgehend entwickelt sich ein komplexes Geflecht von Bild- und Textfragmenten, die den politischen Hintergrund des Schiffbruchs von „SIEV-X" umkreisen. Dieser zweite Zyklus ist mit zeitlichem Abstand zum Triptychon entstanden, das unmittelbar nach dem Ereignis gemalt wurde, als es praktisch noch keine Informationen gab. Auf weiteren sechzehn Bildern tauchen vor allem Vertreter der australischen Regierung bzw. Bilder von deren Auftritten in den Medien auf. Der Zyklus begleitet somit auch sukzessive die Aufklärung des Schiffbruchs - ist gewissermaßen Teil desselben.

Dabei drängen immer wieder die in impressionistischer Manier formulierten Wogen des Indischen Ozeans in den Vordergrund. Wunderschöne, verführerische Malerei, die allerdings immer den Kern der Erzählung als schmerzhafte Leerstelle ausspart: Dem Schwarz von „Xenophobe" entspricht in diesen zum Teil wandfüllenden Seestücken das Weiß der Wand, wenn der Umriss des gesunkenen Bootes oder die Köpfe der im Meer Ertrinkenden auf dem transparenten Malgrund leer bleiben. Die Wahl der ungewöhnlichen, fragilen und zumeist transparenten Bildgründe ist so mehr als nur Referenz auf einen sich in jeder Hinsicht erweiternden Bildbegriff unserer Gegenwart, der sich längst von Keilrahmen und Leinwand losgesagt hat. Die durchscheinende Materialität von „SIEV-X" wird selbst zum Bedeutungsträger und widerlegt die überzeitliche Gültigkeit des klassischen Historiengemäldes: Worum es geht, ist die Frage der Transparenz oder eben Intransparenz politischer Prozesse. (Historien-)Malerei ist, für Schmidt wie Géricault, ein Akt der politischen Positionierung.

Dierk Schmidt wurde 1965 in Unna in Westfalen geboren und lebt in Berlin. Einzelausstellungen von Dierk Schmidt fanden u. a. im Salzburger Kunstverein und in der Gesellschaft für aktuelle Kunst e. V. Bremen statt. Seine Arbeiten wurden in Gruppenausstellungen u. a. im Hamburger Kunstverein, auf der documenta 12 in Kassel, im Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam, im Kunstverein Hannover und auf der Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst gezeigt.

Kurator: Dr. Martin Engler, Kustos für Kunst nach 1945, Städel Museum

Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt

Ausstellungssdauer: 9. April bis 6. September 2009

Öffnungszeiten: Dienstag, Freitag bis Sonntag 10-18 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 10-21 Uhr

Information: http://www.staedelmuseum.de, info@staedelmuseum.de,

Telefon +49(0)69-605098-0, Fax +49(0)69-605098-111

Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 8 Euro, Familienkarte 18 Euro, freier Eintritt für Kinder bis zu 12

Jahren

Presse: Dorothea Apovnik (Leitung), Marijke Gassen (Assistenz)

Städel Museum, Dürerstraße 2, 60596 Frankfurt, Telefon +49(0)69-605098-234,

Fax +49(0)69-605098-188


Ausstellung






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