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Ausstellung

Paloma Varga Weisz.

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Der Titel „Glory Hole“ selbst ist in seiner Zweideutigkeit bereits ungezogen. Während sich „Glory Hole“ teilweise auf den Zusammenbruch des einst großen österreichisch-ungarischen Reichs beziehen könnte und die Reste, die nach seiner Demontage verbleiben (wie bei jeder ehemals großen Nation, die nur ein Schatten ihres einstigen Selbst ist), enthält der Begriff auch einen direkteren sexuellen Bezug. Der Begriff „Glory Hole“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für anonyme sexuelle Begegnungen. Oft befinden sich solche „glorreiche Löcher“ an halb-einsamen Orten, zum Beispiel Autobahntoiletten, verlassenen Gebäuden, oder sogar als Teil von oder angrenzend an Nachtklubs. Meist geht es um eine Wand oder einen räumlich abgetrennten Bereich, wo Löcher zwischen zwei Räumen Menschen (oder Gruppen) erlauben, anonymen Sex zu haben. Selbstverständlich ist diese sexuelle Aktivität außerhalb gesellschaftlicher Normen, meist bleiben ihre Manifestationen im Untergrund, obwohl sie sich oft im öffentlichen Raum abspielt. Vor Jahrzehnten waren sie ein Phänomen der schwulen Szene, aber mittlerweile sind Glory Holes im Mainstream angekommen und werden zum Beispiel häufig in heterosexueller und homosexueller Pornographie gezeigt. Von den 34 Glory Holes in Österreich, die öffentlich in einem aktiven Online-Archiv aufgelistet werden, befindet sich keines in Salzburg. Bis heute.

Sexuelle Begegnungen in Glory Holes bedingen auch eine Art Fragmentierung und partielle Verschleierung jedes sexuellen Subjekts, in diesem Fall speziell des Empfängers der aktiven Handlung. Während Glory Holes oft als Ort einer befreienden homosexuellen Begegnung fungierten (vor allem in sexuell repressiven Zeiten und Gesellschaften, heute oder in der Vergangenheit), kann man sagen, dass die Kultur der Glory Holes sich in letzter Zeit zu einem vornehmlich heterosexuellen Erfahrungsort verschiebt, wo die weibliche Teilnehmerin fragmentiert und auf ein Loch (oder Löcher) reduziert wird, das das männliche Sexualorgan empfängt und dann als Vergnügungsmaschine fungiert, ohne dass ein Sinn für den gesamten weiblichen Körper oder die Person entwickelt wird. Das Gegenteil ist jedoch auch der Fall, indem der männliche Körper lediglich auf einen Phallus reduziert wird, der bedient werden muss, oder – je nach Szenario – als Vergnügungswerkzeug für den Empfänger dient. Natürlich finden sich an einem Ort potenziell zahlreiche Glory Holes, wodurch diese Fragen der Anonymität, der sexuellen Befriedigung, Dominanz und Fragmentierung sich dann vervielfältigen.

Diese Ausstellung lädt uns ein, eine voyeuristische Aktivität auszuüben, und uns vielleicht gleichzeitig dieses Blicks bewusst zu werden. Fast ist dies wie ein Blick nach innen, auf das Ich oder mögliche Ich, auf die eigenen Träume oder Alpträume. Die Aussicht ist nicht ganz angenehm, obwohl ein Schuss Humor dabei ist. Was die Künstlerin anbietet, ist – so könnte man sagen – ähnlich einer Gegenerzählung zum Tableau des zeitgenössischen Lebens mit seiner konstanten Signifikanz von Stabilität und Bedeutung. Die Gesellschaft hat ihre Ordnungen. Viele Symbole arbeiten notwendigerweise zusammen, um diese Ordnung zu schaffen und hervorzubringen. Paloma Varga Weisz nimmt diese Stabilität der Realität und stellt sie auf den Kopf; stattdessen bietet sie uns eine unstete Vision an, einerseits humorvoll, andererseits todernst. Sie arbeitet mit vertrauten Formen – eine ländliche Scheune, Tierköpfe als Trophäen – und absurden Formen: sexuell perverse, bewegliche Figuren, ausgestopfte Affen, Hundeköpfe zwischen den Trophäen sowie mit einer Anzahl von vertrauten Symbolen und Versionen der Welt um uns herum.

All die zusammenwirkenden Objekte und ihre symbolischen Bedeutungen oder Assoziationen in „Glory Hole“ ergeben ferner auch ein visuelles Gleiten zwischen den Begriffen Heimat, heimlich und unheimlich. Für den deutschen Begriff Heimat gibt es keine englische Entsprechung; er beschreibt die Beziehung von Menschen zu einem bestimmen Ort oder Raum. Meist positiv konnotiert und zum Beispiel leicht mit der Alpenregion in Verbindung zu bringen, assoziiert man damit Gefühle der Wärme, des Wohlbefindens, der Familie und Nostalgie, wie ihn ein Kindheitsort und seine Kultur hervorrufen könnten. Dies lässt sich auch einfach mit einer romantisierten Vergangenheit assoziieren, zum Beispiel mit ehemaliger nationaler Größe oder einem Reich. Vermutlich ist der nächstliegende Begriff im Englischen der des homeland. Begriff und Bedeutung von Heimat könnten jedoch schon aus der Natur der Sache auch sein Gegenteil hervorbringen. Kann man eine Heimat haben, ohne sich von einem Ort oder Menschen entfremdet zu fühlen, die nicht Teil der eigenen Heimat sind? Dies findet sein Äquivalent in Vorstellungen des Andersseins, und ferner in Furcht oder Ekel vor dem Anderen. Nicht weit entfernt vom Begriff Heimat ist das Wort heimlich, ein Adjektiv mit ähnlichen Assoziationen und Bedeutungen. Der Freudsche Begriff unheimlich ist ebenfalls in dieser Bedeutungskette impliziert, und die unheimlichen Gestalten sind absichtlich innerhalb der Scheune platziert worden, zugunsten unserer Erfahrung und unseres Voyeurismus. Freud erinnert uns, dass es das Unheimliche ohne das Heimliche nicht geben kann, dass diese Begriffe austauschbar sind und einander bedingen. Die Scheune selbst – ein kraftvolles Emblem der Heimat – ist somit nicht nur eine Hülse für diese Bedeutungskette, sondern bringt sie hervor. Und vielleicht war das schon immer so, vielleicht liegen diese Bedeutungen und Assoziationen innerhalb unserer ganz gewöhnlichen Landschaft, innerhalb des Gefüges unserer Umgebung, innerhalb unserer Handlungen und Sprache, unserer Art zu Sein; und somit werden symbolische Formen um uns herum konstruiert, die sie verleugnen oder dissoziieren, während sie sie gleichzeitig bestärken.






  • 04.07.2015 - 09.09.2015
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    Öffnungszeiten Ausstellung: Di-So, 12-19 Uhr

    Öffnungszeiten Büro: Mo-Fr, 9-13 Uhr



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