Sigmars Polkes Werkzyklus der sogenannten »Schleifenbilder« aus dem Jahr 1986, ein Hauptwerk der Pinakothek der Moderne, ist bis zum 31. März im Dialog mit Albrecht Dürers bedeutendem Holzschnitt »Der Triumphzug Kaiser Maximilians I.« aus dem Jahr 1522 zu sehen, auf den sich Polkes achtteilige Bildfolge unmittelbar bezieht. Innerhalb der charakteristischen Künstlerräume der Pinakothek der Moderne setzt das Werk aus dem Besitz der Staatlichen Graphischen Sammlung München einen spannungsvollen Akzent zu den Werken bedeutender Protagonisten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dürers achtteiliger Holzschnitt entstand als Teil eines von Kaiser Maximilian beauftragten Bildprogramms zur Verherrlichung seiner politischen Erfolge. In seinem Holzschnitt interpretiert Dürer den Triumphzug Maximilians nach dem Vorbild römischer Triumphzüge und symbolisiert so die Apotheose des Kaisers. Maximilian thront auf dem Sonnenwagen als Weltherrscher, Apoll gleichgestellt. Auf diese Weise vollendet die Person Kaiser Maximilians I. ideell die antike Kaiseridee im deutschen Königtum. Der von der ›ratio‹ – dem Verstand des Kaisers – gelenkte Wagen ist mit dessen persönlichen Tugenden beladen und wird von zwölf weiteren personifizierten Tugenden angeführt. In der mit allegorischen Bezügen reich bestückten Darstellung sind den Führerinnen der Pferdegespanne ornamentale Schleifen beigeordnet. Diese kalligraphisch anmutenden Darstellungen scheinen sich spielerisch, wie spontane Improvisationen, aus den Lorbeerkränzen zu entwickeln.

Polke entnimmt Dürers Holzschnitt diese Schleifenornamente und isoliert sie vor einem differenziert gearbeiteten grauen Bildgrund. Die sorgfältig gemalten Ornamente stehen dabei in Kontrast zum freien Materialauftrag des Hintergrundes, der keinem erkennbaren Form- oder Kompositionsgesetz folgt. Die Schleifen, die bei Dürer eine nebensächliche Stellung einnehmen, macht Polke zum Hauptmotiv. So wird das Ornament zur Heimat der Metamorphose. Der Hauptdarstellung bei Dürer hierarchisch untergeordnet, tritt das Ornament in den Schleifenbildern indes aus seinem Beiwerk- Charakter heraus und wird zum autonomen Element der Bildthematik. Damit vermittelt Polke die Vorstellung einer über Kulturen, Stile und Epochen hinwegreichenden Universalität des Ornaments. Zugleich erschließt er zwischen dem abstrakt-gestischen Hintergrund und den auf ihm schwebenden Schleifen einen Raum, dessen Ebenen der Betrachter als Meditationsgrund seiner Wahrnehmung öffnen kann.

In der seltenen Gegenüberstellung des prominenten Renaissancewerkes und Polkes Paraphrasierungen, die sich lediglich anhand der Bildtitel, die die personifizierten Tugenden bezeichnen (»Ratio«, »Audatia«, »Virilitas«,

»Providentia« etc.), nur schwer erschließen, wird die Verbindung von Inspirationsquelle und Aneignung erfahrbar.

Die dialogische Präsentation beider Werke lädt die Besucher gerade auch in der Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel zu einem Besuch in die Künstlerräume der Pinakothek der Moderne ein. Eine besondere Gelegenheiür die tiefere Auseinandersetzung und den Genuss zweier bedeutender künstlerischer Positionen.