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Ernst Ludwig K

Ernst Ludwig Kirchner. Retrospektive

  • Ausstellung
    23.04.2010 - 25.07.2010
    Städel Museum »
Ernst Ludwig K

Der dritte Teil der Ausstellung fokussiert auf Kirchners expressionistische Werke der Dresdner Jahre. In dieser Zeit entwickelte sich Kirchner zur dominierenden Persönlichkeit der 1905 in Dresden gegründeten Künstlergemeinschaft „Brücke“, der es innerhalb weniger Jahre gelang, an die internationale Avantgarde anzuknüpfen und das Bild des Expressionismus in Deutschland mit ihrer sinnlich-impulsiven Malerei bis heute maßgeblich zu prägen. Im konservativ-akademischen Kunstbetrieb des wilhelminischen Deutschland wirkten nicht nur die expressiven Farben und perspektivisch verzerrten Bildkompositionen provokant, sondern auch die unkonventionelle antibürgerliche Lebens- und Arbeitsweise der Künstlergemeinschaft, die sich dem Ideal einer sinnlichen Harmonie von Leben und künstlerischem Handeln verschrieben hatte. Ihre Modelle, die häufig auch die jeweiligen Lebenspartnerinnen waren, teilten die Künstler genauso wie die Ateliers, in denen sie zusammenkamen, um frei von gesellschaftlichen Zwängen zu arbeiten. Ein Höhepunkt dieser Schaffensphase ist das Gemälde „Akt mit Hut“ (Städel Museum), für das Kirchner nach eigener Aussage die im Städel befindliche „Venus“ von Lucas Cranach d. Ä. als Inspirationsquelle diente. Auf dem Tableau präsentiert Kirchner seine damalige Freundin Dodo nackt – und doch selbstsicher und mondän. Neben Dodo spielen die Darstellungen der achtjährigen Fränzi und der etwas älteren Marcella, die neben einigen anderen Kindern zu den regelmäßigen Besuchern des Kirchner-Ateliers zählten, eine herausragende Rolle. In der Ausstellung werden Bildnisse und Akte der beiden Mädchen, u. a. aus dem Brücke Museum Berlin und dem Moderna Museet in Stockholm, gezeigt. Gleichzeitig wird jedoch auch der Umgang mit den Kindermodellen, deren Unerfahrenheit und Unschuld die Brücke-Künstler faszinierte, kritisch hinterfragt. Diese Darstellungen leiten über zu den Zirkus- und Varietémotiven, die durch Exotik und lebendige Farbenpracht bestechen. Das großformatige Hauptwerk „Zirkusreiter“ (Saint Louis Art Museum) kann anlässlich der Frankfurter Retrospektive zum ersten Mal seit 1980 wieder in Europa gezeigt werden. Das Thema des Tanzes als Element von Bewegung, wie es zum Beispiel „Varieté“ (Städel Museum) vorstellt, interessierte Kirchner ein Leben lang und taucht auch in seinem Spätwerk auf.

Der Wechsel von Dresden nach Berlin 1911 bedeutet für Kirchner eine Zäsur: Die neue Umgebung wirkte sich nicht nur motivisch, sondern auch stilistisch auf seine Werke aus. Mit eckigen, spitzen Formen, überlängten Körpern und giftigen fahlen Farben fing er die Nervosität der pulsierenden Großstadt ein. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind aufgeladen. Latent aggressive Begegnungen zwischen Huren und Freiern lösen die friedliche Stimmung der Dresdner Akte ab. Dieses Aufeinandertreffen übertrug Kirchner in seinen Straßenszenen in den öffentlichen Raum. Bis heute gelten diese Bilder vielen als Krönung seines Schaffens. Einen Höhepunkt der Berliner Jahre bildet in der Ausstellung – neben einem Raum mit Straßenszenen (u. a. Museum of Modern Art, New York), Aktdarstellungen wie „Toilette vor dem Spiegel“ (Centre Pompidou, Paris) oder dem Werk „Zwei gelbe Akte mit Blumenstrauß“ (Bündner Kunstmuseum, Chur) – das mit ca. 196 x 350 cm monumentale Triptychon „Die Badenden“. Das Triptychon konnte für die Ausstellung erstmals nach Kirchners Tod wieder mit Leihgaben aus Privatbesitz, dem Kirchner Museum Davos sowie der National Gallery Washington zusammengeführt werden. Kirchner selbst bezeichnet es als eines seiner stärksten Werke.

Die künstlerisch fruchtbare Zeit der Berliner Jahre erfuhr durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen tiefen Einschnitt. Auf die schreckliche Realität des Krieges reagiert Kirchner mit Angst und innerer Zerris- senheit. Seine beim Militär gemachten Erfahrungen und Existenzängste thematisierte er in Gemälden wie „Soldatenbad“ (Guggenheim Museum, New York) sowie in der Holzschnittfolge zu „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (Städel Museum), einer der bedeutendsten druckgrafischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts. Nach physischen und psychischen Zusammenbrüchen erholte sich Kirchner im Sanatorium in Königsstein im Taunus. Werke wie „Westhafen in Frankfurt am Main“ (Städel Museum) oder „Autostraße im Taunus“ (Privatbesitz) entstanden in dieser Zeit. In Frankfurt sollte Kirchner auch wichtige Förderer seines Werks finden: Nicht nur sein Galerist Ludwig Schames, auch einige seiner wichtigsten Sammler lebten hier. Zu ihnen gehörte der Chemiker Carl Hagemann, dessen Sammlung zeitgenössischer Kunst damals zu einer der umfangreichsten zählte. Der Kirchner-Bestand im Städel geht in großen Teilen auf diese Sammlung zurück, die dem Museum nach dem Zweiten Weltkrieg von den Erben als Geschenk bzw. Dauerleihgabe übergeben wurde.

Von der Kriegszeit zerrüttet kommt Kirchner 1917 zu einem Erholungsaufenthalt nach Davos und bleibt dort bis zu seinem Tod 1938. Ursprünglich als rein temporärer Rückzugsort gedacht, entwickeln sich die Schweizer Alpen rasch zu einer wichtigen Quelle künstlerischer Inspiration. Nicht mehr die pulsierende Großstadt, sondern die majestätische Landschaft der Berge und die dort erlebte bäuerliche Lebenswelt fungieren fortan für ihn als künstlerische Herausforderung.


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Aquarell über Bleistift auf gestrichenem Karton, 35,5 x 45,8 cm Städel Museum, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main
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  • Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) Liegende Frau in weißem Hemd, um 1909 Öl auf Leinwand, 95 x 121 cm Städel Museum, Frankfurt am Main
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