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Von der Muse geküsst – Die Künstlerfamilie Reidel und deren bedeutende Glassammlung

Von der Muse g

Die Glassammlung der Reidels Wieder einmal bestätigt sich hier die altbekannte Weisheit „Wer suchet, der findet!“, denn Marlene Reidel findet ihre Gläser anfangs auf Spaziergängen in Wäldern, in denen Bauern ihre Abfälle entsorgt haben. Die in Massen hergestellten Industriegläser wurden früher nämlich achtlos weggeworfen. Karl Reidel spricht sogar von „Flaschenarsenalen“ im Unterholz. So sammeln sich bei den Reidels über die Jahre hinweg mehr als tausend dieser Waldrandfunde in jeglicher Form und Farbe an. Die Familie selbst charakterisiert sich daraufhin als von der Gläserkrankheit infiziert.

Daraus folgend gehören die Reidels zu den ersten Pressglassammlern in Deutschland überhaupt und haben mit ihrem Sammeln dazu beigetragen, dass der Nachwelt ein Stück Kulturgut erhalten blieb. Aus eigentlich achtlos Weggeworfenem wächst über die vielen Jahre eine stattliche Glassammlung heran, die heutzutage jedes Sammlerherz höher schlagen lässt. Die Reidels haben in den letzten Jahrzehnten ein waches Auge und gutes ästhetisches Gespür bewiesen. Um 1950 fängt das Paar schließlich bewusst zu sammeln an: „Es gab da einen Hausierer, den dicken Reitberger. Der fuhr mit seinem Moped in den Dörfern der Landshuter Umgebung herum und verkaufte Putzlumpen und Postkarten. Wir erklärten ihm, was ein freigeblasenes Glas mit Abriss sei, und so brachte er uns über Jahre hin alte Flaschen und Vorratsgefäße zum Preis von etwa 2 bis 10 Mark.“ Welch‘ Glasgötter dieser Familie gesonnen waren! „In den 50er Jahren konnte man in den Tandlerläden Schwabings, der Westenrieder Straße oder auf der Auer Dult Nabelflaschen, optische Viereckflaschen oder Schnapshunde für 50 bis 100 Mark finden […].“ Wir sind „nie mehr für länger verreist, aber wir fuhren, soweit Zeit und Geld es erlaubten, fast jeden Monat einen Nachmittag lang zum „Tandeln“: „Wir hatten da unsere Anlaufstellen. [...]. Um ein paar hundert Mark konnte man von so einer Fahrt ganze Schachteln voll Glas heimbringen. Auch die Flohmärkte waren in den 60er und 70er Jahren noch eine ergiebige Quelle, vor allem für Bauernsilber und Preßglas.“

„Heute haben sich die Zeiten geändert. […] die Tandlerläden und Flohmärkte sind leergeräumt; und ein relativ preisgünstiges, schönes Glas zu bekommen ist schon ein seltener Glücksfall.“, womit Karl Reidel leider jedem leidenschaftlichen Sammler aus dem Herzen spricht.

Doch wo die vielen Kisten und Behältnisse mit allem Möglichen an Glas unterbringen? „Zehn Jahre lang waren unsere Schätze bis auf wenige Ausnahmen in Schachteln verpackt. Erst nachdem wir 1960 in unser eigenes Haus einziehen konnten, füllte sich allmählich Raum um Raum mit selbstgebauten Holzregalen, und es ergab sich die Möglichkeit, unsere Sammlung wenigstens teilweise aufzustellen.“

In Obergangkofen entsteht so nach und nach eine Wunderkammer an Gebrauchsglas des 19. und 20. Jhs. aus dem Bayerischen Wald und dem Böhmerwald. Es zeichnet sich durch alltagstaugliche Form und zumeist eine Vorliebe für das Dekor aus. Gesammelt wird von den Reidels darüber hinaus auch Formglas des 17. bis 19. Jhs. sowie Gläser des Historismus, Jugendstils und Art Décos.

Ein Inventar von 1988 nennt die Kategorien Flaschen, Vorratsgefäße, Formgläser, Lampenglas, Fachschularbeiten, Lampen, Bierkrüge, Pressglas, Service, Trinkgläser, Karaffen, Konfektschalen, Emailgläser, Alabasterglas, Opalglas, Auflagenglas u.v.m.

„Sammlungen dieser Art werden nicht von Institutionen geschaffen, sondern von höchst sensiblen, phantasiereichen, erfinderischen Individuen, die sich zudem durch Unentwegtheit und unerschütterliche Zielstrebigkeit auszeichnen.“ Diese Zielstrebigkeit haben die Reidels wahrlich bewiesen.

Doch was fasziniert die Reidels eigentlich so am Glas? Es ist die changierende Farbgebung in Licht und Schatten. Sie sehen die „Gläser als geheimnisvolle transparente Kulissen, Rahmen und Behältnisse, Schatztruhen fast für Distel und Löwenzahn, Wicke und Winde, Blüte, Stengel und Samenkapsel. Da ist es ein Einmachglas, dort eine Medizinflasche, Prismaform und Zylinder [...]."

Karl Reidel ist Zeit seines Lebens von der Formbarkeit des Materials Glas begeistert, welche jene seines Arbeitsmaterials Bronze um Längen übertrifft.

Als sich ihm die Möglichkeit bietet, ein eigenes Bild der bayerischen Glashütten zu machen, staunt er nicht schlecht: „Ich war fasziniert von der Arbeit der Glashüttenleute, von ihrem gekonnten Umgang mit der zähflüssigen Glasmasse und dem perfekten Ineinandergreifen der Arbeitsvorgänge.“ „Ich hatte erkannt, welche Phantasie, welcher Farbensinn und vor allem welches handwerkliche Können dazu gehörte, diese zerbrechlichen Wunderwerke zu schaffen.“

Einen Narren gefressen hat Karl Reidel an den volkstümlichen Eingerichten mit ihren Arma-Christi-Darstellungen. Sie sollen nach altem Volksglauben vor unvorhergesehenem Tod schützen und Schwangeren Beistand schenken. Von diesen Flaschen erhielt Karl Reidel so manchen Werkimpuls.

Das Sammlerglück findet in Marlene Reidels Kinderbuch Antonia, das von der Glassammelwut des Ehepaares erzählt, literarischen Niederschlag.

Einen Ehrenplatz erhalten die Glaskinder jedoch in Marlene Reidels Malerei in Form von Stillleben. „Meine Modelle waren sehr oft Gläser, deren Durchsichtigkeiten und Lichtbrechungen mich faszinierten und meine Art zu malen nachhaltig beeinflußten.“


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