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Neue Galerie Graz

Günter Brus und Alfons Schilling um 1960: Ausstieg aus dem Bild im BRUSEUM eröffnet

Neue Galerie Graz

Ende des Jahres 1960 erhält Brus die Einladung zu einer Einzelausstellung in der Galerie Junge Generation am Börsenplatz 1. Aus Freundschaft und wohl auch weil er für die Ausstellung 2.000 Schilling hinterlegen muss, die am Ende auch verrechnet werden, lädt er Alfons Schilling ein, diese Schau gemeinsam mit ihm zu bestreiten. Die Künstler bekommen nur den Raum zur Verfügung gestellt und müssen sich um die Organisation und die Aufsicht selbst kümmern. Im Februar 1961 erhält Brus den Einberufungsbefehl und kann sich daher an den Vorbereitungsarbeiten nicht mehr beteiligen, nur für die Eröffnung erhält er einige Tage Urlaub. In der Ausstellung, die am 23. Mai eröffnet wird, zeigen die beiden Künstler großformatige Arbeiten, die sie in den Monaten davor aus der Konsequenz ihres Mallorca-Aufenthaltes entwickelt haben.

Die Rezensionen der österreichischen Tageszeitungen spiegeln das von ironischer Hilflosigkeit bis zu Ablehnung reichende Kunstverständnis der Öffentlichkeit: „Kritik über diese Malerei gibt es nicht. Man kann sich schließlich nicht über Kleckse wichtig machen.“ (Franz Tassié im Express). Und Tassié weiter: „Die beiden jungen Maler tragen Bluejeans und sehen gesund aus. Vielleicht tragen sie auch Pistolen. Auch so sehen sie aus. Man kann sich natürlich täuschen. Vielleicht besitzen sie eine Seele und wissen, was sie tun. Das ist noch nicht ganz klar.“ Lediglich der einflussreiche Kunstkritiker und spätere Museumsdirektor Alfred Schmeller formuliert im Kurier etwas respektvoller und hellsichtiger: „Es ist Aktion gegen die Leinwand. Körper-Einsatz. Befreiung. Mehr ist es noch nicht."

Der Anfang vom Ende
Im Sommer 1961 baut sich Schilling in seinem Atelier in Wien eine runde Holzscheibe, auf der er das Bild während des Malens drehen kann. Die Drehung eröffnet ihm eine neue Perspektive, da sich das Bild während der Entstehung ständig verändert und seine dominierende Ausrichtung verliert. Einzig die stets nach unten rinnende Farbe stört ihn, da sie auf die Anziehungskraft der Erde und damit auf eine gewisse Stabilität verweist. Im November 1961 verlässt Schilling Wien relativ unvermittelt in Richtung Basel, um im Dezember nach Paris zu fahren. In einem Brief an Brus bringt er seine Enttäuschung und seinen Zorn auf Wien zum Ausdruck. In Paris arbeitet er weiter an der Überwindung des gestisch bemalten Bildes zugunsten einer Entmaterialisierung des Kunstwerks.

Der neunmonatige Militärdienst ist von Frustration und Resignation geprägt, Brus stellt seine Existenz als Künstler infrage. Nach rund einem Jahr, in dem er weder gezeichnet noch gemalt hat, beginnt er im Laufe des Jahres 1962 wieder zögerlich zu arbeiten. Muehl besucht in ihn in seinem Atelier und notiert: „Er arbeitet jetzt sehr viel. Macht kleine Graphiken. Sie wirken wie von einem Schizophrenen gemacht oder wie von einem Epileptiker, aber sie sind ausgezeichnet. Er macht sozusagen punktuelle Graphik.“

Obwohl er mit der „Malerei in einem labyrinthischen Raum“ 1963 noch eine letzte große Serie von Gemälden anfertigt, zeigt sich in den Werken dieser Zeit eine Inversion von Malerei und Zeichnung. Gerade in den Papierarbeiten manifestiert sich die kommende Entwicklung. Die kürzelhaften Striche erscheinen als Chiffren einer Bewegung, als enigmatische Spuren einer körperlichen Handlung. Den Körper, den er 1959/1960 über die geometrische Zergliederung in die Abstraktion überführt hat, schält er nun wieder aus der Geste des Informels heraus. Mit wenigen Strichen wird er in seinen rudimentären Formen angerissen, präsentiert sich jedoch verletzt und fragmentarisch. Die angedeuteten Frauenkörper weisen bereits auf die Serie der ANA-Zeichnungen voraus, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner ersten Aktion stehen.

Ausstieg aus dem Bild
Schilling entwickelt in Paris seine Idee des Bewegungsbildes weiter und kauft sich auf einem Flohmarkt einen Elektromotor. Mit einem alten Rad auf einem selbst zusammengebauten Gestell bringt er Bildflächen von rund 2 Metern zum Drehen. Anfänglich arbeitet er an sich langsam drehenden Bildern, steigert die Drehgeschwindigkeit aber schließlich auf bis zu drei Drehungen pro Sekunde. Das Malen macht einem Schütten und Schleudern Platz, da die hohe Drehgeschwindigkeit kein gezieltes Gestalten mehr ermöglicht. Die Rotationsbilder sind sein Durchbruch zur endgültigen Aufhebung der Malerei: die Entmaterialisierung des repräsentativen Kunstobjekts in Form von zu Licht werdenden optischen Farben und Formen.

Im Frühling 1962 besucht sein siebzehnjährige Bruder Niklaus Schilling das Atelier in Paris und zusammen drehen die beiden einen zwölfminütigen 8-mm-Film über Schillings Arbeit. Anfang Juni verlässt er aus Geldnot und in einer tiefen persönlichen Krise Paris. Er hat die Malerei für sich zu einem Ende geführt. Im September bricht er nach New York auf, wo er sich dauerhaft niederlässt und ab Mitte der 1960er-Jahre mit neuen fotografischen Techniken experimentiert.

Nach Gesprächen mit Nitsch und Muehl, die bereits Aktionen realisiert haben, führt Brus im November 1964 seine erste Aktion ANA durch. Der Bildraum wird in den Realraum erweitert, den er weiß ausgemalt hat, und die Geste auf den Körper übertragen. Er kann die Körperbemalung allerdings nicht in der geplanten Konsequenz umsetzen. Brus selbst bezeichnet den „triebdurchbruchartigen Malanfall“ während der Aktion als eine „intellektuelle Panne“ und spricht vom „Informel der allerletzten Stunde“. Brus löst die Geste von der Malerei und entwickelt seine körperbezogene Aktionskunst.

Die Ausstellung im BRUSEUM beleuchtet anhand zentraler sowie nahezu unbekannter Arbeiten jene kurze Zeit um 1960, in der Günter Brus und Alfons Schilling über die Malerei des Informel zu ihrer international bedeutsamen Neuausrichtung der Kunst finden.






  • 19.11.2021 - 13.02.2022
    Ausstellung »
    Universalmuseum Joanneum »

    Günter Brus und Alfons Schilling um 1960
    Ausstieg aus dem Bild

    Soft Opening: 18.11.2021, 17‒22 Uhr
    Laufzeit: 19.11.2021‒13.02.2022
    BRUSEUM, Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz

    Kuratiert von Roman Grabner
    www.bruseum.at



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  •  Künstler Günter Brus, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Künstler Günter Brus, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Universalmuseum Joanneum
  •  Ansicht, "Günter Brus und Alfons Schilling um 1960", 2021, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Ansicht, "Günter Brus und Alfons Schilling um 1960", 2021, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Universalmuseum Joanneum
  • Ansicht, "Günter Brus und Alfons Schilling nach 1960", 2021, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Ansicht, "Günter Brus und Alfons Schilling nach 1960", 2021, Foto: Universalmuseum Joanneum/Clemens Nestroy
    Universalmuseum Joanneum