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Eine Frage der

Eine Frage der Zeit. Vier Fotografinnen im Hamburg der Zwanziger Jahre

Eine Frage der

Die Fotografien von Natascha A. Brunswick (1909 - 2003) leben vom progressiven Geist der ersten deutschen Republik, die gerade für kreative Frauen eine neue Freiheit bedeutete. Es ist ein facettenreiches und unwiederbringlich vergangenes Bild des damaligen Hamburg, in dem sie von 1924 bis 1937 lebte. Mit ihrem ersten Mann, dem Mathematiker Emil Artin (1898 - 1962), und den Kindern Karin (*1933) und Michael (*1934) musste sie ihrer jüdischen Herkunft wegen Deutschland verlassen. Sie hörte mit dem Fotografieren auf, als ihr, der "enemy alien" (feindliche Ausländerin), die Kamera abgenommen wurde. Ihre Bilder gerieten völlig in Vergessenheit und wurden erst 1996 zufällig vom Sohn Tom (*1938) wiederentdeckt, der sie sogleich als bedeutend erkannte. Statt ihrem Wunsch, am Bauhaus Architektur zu belegen, entschied sie sich aus finanziellen Gründen für das Mathematikstudium und Kunstgeschichte im Nebenfach, unter anderem bei Erwin Panofsky und Ernst Cassirer, die beide bis 1933 in Hamburg lehrten.

Schon als Schülerin der Hamburger Lichtwarkschule, die sich durch die Integration von wissenschaftlicher, praktischer und kreativer Bildung auszeichnete, hatte Natascha Brunswick mit einer Box-Kamera gearbeitet. Später fotografierte sie mit einer Leica. Ein Beispiel für spontane, lebendige Momentaufnahmen mit der hochwertigen Kleinbildkamera zeigt eine Dreierserie der Schwester Tanja. Das Mädchen trägt eine moderne Kurzhaarfrisur und sitzt auf dem sonnigen Balkon, was den gesundheitspolitischen Vorstellungen der Weimarer Zeit entspricht. Das Lesen eines Buches erzählt von Schulbildung und Lernen, zugleich kann es Freizeitvergnügen sein, lässt also auf eine bürgerliche Familie schließen. Die Leica mit dem lichtstarken Objektiv rückte Privates und Persönliches ins Blickfeld, ohne an gestalterischer Kraft zu verlieren. Die Fotografin suchte das Spiel von Licht und Schatten, komponierte knappe Bildausschnitte und inszenierte die abwechslungsreichen Oberflächen der Dinge und des menschlichen Körpers (Haut, Haar) in der Umgebung von geometrischen Strukturen von Wänden, Balkontür und Tisch. Modelle und Motive fand Brunswick in ihrer eigenen Umgebung: Mann und Kinder, die Mutter, befreundete Kollegen mit ihren Familien, Künstler wie Heinrich Stegemann und seine Frau, Hamburgs Straßen und Gebäude, Architektur und Landschaft unterwegs auf Fahrten durch Deutschland. Es ist eine Zeitreise in die zwanziger Jahre: „Wie ich es sah."

Das fotografische Werk von Hildi Schmidt Heins gründet nicht nur gestalterisch in den zwanziger Jahren, als der Vater ihr früh das fotografische Handwerk nahe brachte. Der technikbegeisterte Baumschuler Wilhelm Heins (1884 - 1959) pflegte eine damals anspruchsvolle Liebhaberei und hinterließ als Amateurfotograf ein Werk, das sich stilistisch in die Epoche der Kunstfotografie einreiht. Schmidt Heins (*1915) studierte ab 1934 Gebrauchsgrafik und Fotografie an der Hansischen Hochschule für bildende Künste in Hamburg (heutige HfbK) bei: Hugo Meier-Thur (1881 - 1943, in Gestapo-Haft ermordet), einem überzeugten Vertreter des Bauhauses, der ab 1926 die Klasse für Schriftzeichen und Gebrauchsgrafik leitete; Johannes Grubenbecher (1886-1967), der seit 1914 Fotografie unterrichtete; Carl Otto Czeschka (1878 - 1960), der seit 1907 Flächenkunst und Malerei, später Gebrauchgrafik lehrte; Rudolf Neugebauer (1892 - 1961), der als ‚künstlerisch freischaffender Lehrer' von 1933 bis 1945 am Lerchenfeld wirkte. Bezeichnend für die künstlerische Auffassung von Schmidt Heins ist ihre Einstellung, wie sie bei ihrem geplanten Wechsel zu Czeschka zum Ausdruck kommt. Die Studentin will gleichzeitig in der Fotografieklasse bleiben und bei Czeschka Grafik studieren. Als dieser eine Entscheidung für eine der Gestaltungsformen verlangt, bekommt er zur Antwort: Das gehört für mich zusammen. Beide Medien gehen in den zwanziger Jahren eine spezifische Verbindung ein. Die Fotografie des Neuen Sehens misst der Gestaltung der Bildfläche eine wesentliche Bedeutung zu und emanzipiert sich somit endgültig als Kunst.

1938 wurde Schmidt Heins wegen Nichterscheinens zu einem Pflichtappell von der Schule verwiesen, ein von Zivilcourage bestimmtes Verhalten. Es folgte ein Semester an der Akademie der Bildenden Künste München. 1939 trat sie eine Stelle als Gebrauchsgrafikerin im Deutschen Handwerksinstitut in Berlin an und fotografierte in dessen Auftrag von 1941 bis 1943 prototypisch Werkstätten in streng neusachlicher Manier. Nach 1945 wandte sie sich vollständig der bildenden Kunst zu. Die 1949 geborenen Zwillingsschwestern Barbara und Gabriele Schmidt Heins, die nach einem Studium am Lerchenfeld in der nächsten Generation als freischaffen-de Künstlerinnen wirken, thematisierten in der Ausstellung „Heins ▪ Schmidt Heins - Drei Generationen Fotografie" 2004 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg ‚die eigene GESCHICHTE" im musealen Kontext mit aktuellem Bezug zur Gegenwart.


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