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Monarchie

Mythos Galizien

Monarchie

Polnisch wurde Amtssprache, die Autonomie im Bildungs- und Kulturbereich sowie das Kurienwahlrecht sicherten die polnische Dominanz im Land, vor allem zu Lasten der ruthenischen/ukrainischen Bevölkerung, die im Osten die Mehrheit stellte. In der österreichischen Regierung gab es seit 1871 einen Minister für Galizien, der bis zum Ende der Monarchie stets polnischer Nationalität war. Polnische Politiker wurden auch auf andere wichtige Ministerposten in Wien berufen. Die letzten Jahrzehnte der Monarchie wird vor allem aus polnischer Perspektive oft als „glückliche Zeit“ für Galizien dargestellt, Medien und Propaganda formten den Mythos vom guten Kaiser Franz Joseph als „Vater seiner Völker“. Doch zeitgleich nahmen die nationalen Spannungen – insbesondere zwischen Polen und Ukrainern – zu, auch der Antisemitismus verstärkte sich.

Zwischen Massenauswanderung und Ölboom
Das größte Land der österreichischen Reichshälfte war deren ärmste Provinz. Aus der Perspektive Wiens galt Galizien als „Halb-Asien“ (Karl Emil Franzos), als „Land der Bären“ oder als „österreichisches Sibirien“. Mit dem Begriff „galizischen Wahlen“ meinte man die politische Korruption im Land, mit jenem der „Ternopiler Moral“ (nach der Stadt in Ostgalizien) Betrug und Misswirtschaft.

Galizien war eines der am dichtesten besiedelten Kronländer der Monarchie. Um 1900 lebten noch 80% der Bevölkerung von der Landwirtschaft, allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wanderten knapp 500.000 Polen, Ukrainer, Juden und Deutsch- sprachige in die USA, nach Kanada und Brasilien aus. Ab den 1890er-Jahren wurden Industrialisierung und Modernisierung des Landes forciert und der Banken- und Versicherungssektor ausgebaut. Die galizischen Erdölvorkommen machten Österreich- Ungarn vor dem Ersten Weltkrieg mit einem Anteil von 5 Prozent zum drittgrößten Produktionsland der Welt nach den USA und Russland. Technische Innovationen in Verbindung mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes leiteten einen rasanten Ölboom in der ostgalizischen Region um Borysław und Drohobycz ein. Dennoch blieb Galizien bis zum Ende der Monarchie ökonomisch rückständig. Die Wirtschaftsstruktur ähnelte der von Kolonien: Rohstoffe wurden exportiert, Fertigprodukte überwiegend importiert.

Metropole Lemberg, polnisches Krakau
Zwischen 1850 und dem Ende der Monarchie vervierfachte sich die Bevölkerung der Hauptstadt Lemberg von 50.000 auf mehr als 200.000, knapp die Hälfte der Einwohner waren Polen, je ein Viertel Ukrainer und Juden. Insbesondere ab den 1890er-Jahren boomte die Stadt: Öffentliche Gebäude wurden errichtet, ganze Stadtbezirke aus dem Boden gestampft, Infrastrukturmaßnahmen getätigt. Die Urbanität Lembergs zeigte sich an modernen Hotels, wie dem Hotel George, an Kaffeehäusern, Passagen und Waren- häusern wie dem modernistischen „Kaufhaus Magnus“, das 1913 eröffnete. Sie vermitteln bis heute im Stadtbild die einst engen Beziehungen zwischen Lemberg und Wien.

Krakau kam 1846 zu Galizien. Damit endete der Status der Stadt als Republik (seit 1815) und ihre Bedeutung als internationaler Handelsort. Insbesondere der Ausbau zur Festung unter österreichischer Herrschaft bremste die Entwicklung Krakaus. Die konservative politische Elite sah die alte polnische Königsstadt vor allem als Bewahrerin der großen nationalen Vergangenheit. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch in Krakau Schritte zur Modernisierung und Erweiterung der Stadt gesetzt, am Ende der Monarchie hatte die Stadt ca. 150.000 Einwohner.

Österreichische, polnische, ukrainische und jüdische Perspektiven
Galizien erschien aus Wiener Sicht vor allem als rückständiges, weit entferntes Land mit exotischen Völkerschaften, unter ihnen Bojken, Lemken, Huzulen, Podhale-Goralen oder Armenier. Nach 1918 war es Joseph Roth, der das Land und seine jüdische Tradition in Erinnerung hielt. Der Holocaust und die kommunistische Zeit entrückten es noch weiter, Galizien wurde zu einem literarischen Topos.

In Polen repräsentierte das von Österreich annektierte Land lange Zeit ein tiefes Unrecht und eine nationale Katastrophe. Erst seit der Autonomie Galiziens innerhalb der Habsburgermonarchie ab 1873 wandelte sich dieses Bild. Anders als in den Gebieten der Teilungsmächte Russland und Preußen konnten sich in Galizien polnische Kultur, Tradition und Politik relativ frei entfalten. So kam dem Land für die spätere Unabhängigkeit eine Schlüsselrolle zu. Im Kalten Krieg wurde Galizien als Nachweis für die Zugehörigkeit zu Mitteleuropa wiederentdeckt. Heute ist es in erster Linie ein Ort regionaler, tendenziell wertkonservativer Identität.

In der Ukraine wird Galizien als eine der Wurzeln für die Entstehung eines National- bewusstseins gesehen. Das bezieht sich auf die Förderung der griechisch-katholischen Kirche durch Maria Theresia und Joseph II., die gegenüber dem römisch-katholischen Polen und dem orthodoxen Russland zu einem Ort ukrainischer Identität wurde. Ein anderer Gründungsmythos bezieht sich auf die Vorgeschichte des Landes, auf Stadt und Burg Halyc, einst Zentrum des galizisch-wolhynischen Fürstentums im Mittelalter.

Insbesondere seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 werden diese historischen Bezüge als Argumente für die lange Zugehörigkeit des Landes zu Europa eingebracht.

In der jüdischen Tradition repräsentierte Galizien über Jahrhunderte ein Territorium, in dem sich Juden unter dem Schutz der polnischen Könige vergleichsweise sicher und selbst bestimmt behaupten konnten. Auch unter österreichischer Herrschaft war Galizien, das die „Mutter Israels“ genannt wurde, ein Raum, in dem sich die verschiedenen Richtungen des Judentums relativ frei entfalten konnten. Das jüdische Galizien wurde im Holocaust vollständig ausgelöscht.






  • 26.03.2015 - 30.08.2015
    Ausstellung »
    Wien Museum »

    Dienstag bis Sonntag & Feiertag, 10 bis 18 Uhr
    Geschlossen: 1.1., 1.5. und 25.12.

    Eintritt: Erwachsene: 8 €. Ermäßigt 6 € (SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen) Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!



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