• Menü
    Stay
Schnellsuche

Meisterwerk

VERMISST. Der Turm der blauen Pferde von Franz Marc

Meisterwerk

Derartigen Phänomenen zeitlich voraus geht der ehemals klassische analoge Konsum von Bildern, den Dieter Blum mit der Fotografie einer werbetafelgroßen Horde von Wildpferden in Erinnerung ruft. Hier wird unmittelbar der Mythos idealisierter Sehnsucht nach Freiheit, von dem auch Franz Marcs Meisterwerk erzählt, profan gebrochen, hinterfragt und der Betrachter zugleich auf die Probe gestellt, ob die Wildpferde auch ohne den entsprechenden Marlboro-Werbetext ein für alle Mal als Imageträger mit einem Konsumprodukt assoziiert werden.

Martialische Implikationen, die im Turm der blauen Pferde aufscheinen und einen Aspekt deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegeln, werden in den Arbeiten von Tatjana Doll und Thomas Kilpper untersucht, während Dierk Schmidt in seinem Beitrag zeithistorische und psychologische Verflechtungen rund um das als entartet gebrandmarkte Werk aufdeckt. Auf unterschiedliche Weise bricht sich insgesamt in den für das Ausstellungsprojekt entstandenen Arbeiten das rätselhafte Diktum Klaus Lankheits: „Eine alte Weisheit besagt, jedes Volk habe diejenige Kunst, die es verdiene. Hat sich uns ‚Der Turm der blauen Pferde‘ entzogen, weil wir seinem Anspruch nicht mehr gewachsen scheinen?“

Die Auseinandersetzung der Künstler in Berlin
In der Ausstellung im Berliner Haus am Waldsee geht es vor allem um den Verlust des Gemäldes, die Gerüchte um sein Verschwinden und das Schweigen der Nachkriegszeit. So denkt die Fotografin Johanna Diehl intensiv über dieses Schweigen nach, das sie anhand der eigenen Familiengeschichte wie durch einen trüben Schleier sichtbar macht. Andere erfinden neue Gerüchte um das Gemälde, die nach Amerika und in die Niederlande weisen (Marcel van Eeden), oder sie kopieren das Werk, um es zu beschädigen (Norbert Bisky). Es gibt Künstler, die sich dem Thema Verlust als Leerstelle widmen (Arturo Herrera, Christian Jankowski) oder sich mit dem Moment des Todes des Malers auseinandersetzen (Rémy Markowitsch, Birgit Brenner), der zum Mythos rund um das Bild beigetragen hat. Es geht um Staub, der auf die Geschichte gefallen ist, um Kontinuitäten von Weltanschauungen und um Schatten der Vergangenheit (Peter Rösel) oder um die Frage, was geschieht, wenn Der Turm der blauen Pferde sich plötzlich wieder zeigt (Via Lewandowsky). Eine Leuchtschrift im Freien erinnert daran, dass wir nie Gewissheit haben und alles immer auch ganz anders sein könnte (Tobias Rehberger). Ein literarischer Text von Julia Franck schließlich kreist um das Verhältnis zwischen Else Lasker-Schüler und dem Künstlerfreund Franz Marc. Das Gemälde Der Turm der blauen Pferde ist 1913 unter ihrem Einfluss entstanden. Ist er, wie die erhaltene Postkartenskizze von 1912, möglicherweise sogar für sie gemalt worden? Bei Martin Assig wird ein inniges religiöses Gespräch in Gang gesetzt. Er bedient sich der vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes, um seine Geschichte über das Gemälde zu erzählen und bis zum flehentlichen „Komm, komm, komm“ die Trauer über den Verlust zu steigern.

Teilnehmende Künstler in München: Viktoria Binschtok, Dieter Blum, Tatjana Doll, Slawomir Elsner, Jana Gunstheimer, Almut Hilf, Thomas Kilpper, Franz Marc, Dierk Schmidt

Teilnehmende Künstler in Berlin: Martin Assig, Norbert Bisky, Birgit Brenner, Johanna Diehl, Marcel van Eeden, Julia Franck, Arturo Herrera, Christian Jankowski, Via Lewandowsky, Rémy Markowitsch, Tobias Rehberger, Peter Rösel

Das Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam hat eine Übernahme der Ausstellung in die Niederlande für Herbst 2017 zugesagt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Walther König mit Texten von Katja Blomberg, Michael Hering, Stefan Koldehoff, Roland März und Christian Welzbacher. Deutsch / Englisch, 24,80 Euro. (ISBN 978-3-96098-095-7)

Die Ausstellung wird gefördert durch PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V. sowie Vestner Aufzüge GmbH.

Kurator in München: Dr. Michael Hering

München, den 20.02.2017








Neue Kunst Ausstellungen
Fragile Schönheiten
Hamburg, 22. Februar 2024 – Spitze ist zart und fragil...
Trilogie der Töchter.
Ramesch Daha, Vincent Entekhabi, Kim Hyesoon, Jumana Manna,...
INSPIRATION CHINA
Hamburg, 2. Mai 2024 – Nach der Wiedereröffnung des...
Meistgelesen in Ausstellungen
Fragile Schönheiten Spitze in
Hamburg, 22. Februar 2024 – Spitze ist zart und fragil...
William Kentridge
What will come...Die ursprüngliche Gemeinsamkeit von Sammlung...
Vernissage 12.04.07
Galerie Ernst Hilger - Anton Henning – Arbeiten 1988-92...
  • FRANZ MARC Der Turm der blauen Pferde, 1912  Vorstudie für das Gemälde von 1913, Tusche und Gouache auf Karton, 143 x 94 mm Staatliche Graphische Sammlung München, Depositum der Schenkung Fohn, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München © Staatliche Graphische Sammlung München
    FRANZ MARC Der Turm der blauen Pferde, 1912 Vorstudie für das Gemälde von 1913, Tusche und Gouache auf Karton, 143 x 94 mm Staatliche Graphische Sammlung München, Depositum der Schenkung Fohn, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München © Staatliche Graphische Sammlung München
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Viktoria Binschtok Puzzle, 2017 aus einer Serie von 8 Fotografien Digitale C-Prints 100 x 80 cm Foto: Viktoria Binschtok  © Viktoria Binschtok
    Viktoria Binschtok Puzzle, 2017 aus einer Serie von 8 Fotografien Digitale C-Prints 100 x 80 cm Foto: Viktoria Binschtok © Viktoria Binschtok
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Dieter Blum Blaue Pferde, 1992/2016 Digitaldruck Maße variabel Foto: Dieter Blum  © Dieter Blum
    Dieter Blum Blaue Pferde, 1992/2016 Digitaldruck Maße variabel Foto: Dieter Blum © Dieter Blum
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Tatjana Doll RIP – Lost and Found, 2016 Lackfarbe auf Leinwand 300 x 200 cm Foto: Tatjana Doll  © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
    Tatjana Doll RIP – Lost and Found, 2016 Lackfarbe auf Leinwand 300 x 200 cm Foto: Tatjana Doll © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Franz Marc, Der Turm der blauen Pferde, 1913 Öl auf Leinwand, 200 x 130 cm Das Gemälde ist seit 1945 verschollen Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin © bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte
    Franz Marc, Der Turm der blauen Pferde, 1913 Öl auf Leinwand, 200 x 130 cm Das Gemälde ist seit 1945 verschollen Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin © bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Dierk Schmidt Turm versus Pferd, 2016 Entwurf Öl auf Acrylglas 25 x 30 cm Foto: Dierk Schmidt  © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
    Dierk Schmidt Turm versus Pferd, 2016 Entwurf Öl auf Acrylglas 25 x 30 cm Foto: Dierk Schmidt © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Slawomir Elsner Der Turm der blauen Pferde (nach Franz Marc, 1913), 2016 Farbstift auf Papier 200 x 130 cm Foto: Sebastian Schobbert  © Slawomir Elsner
    Slawomir Elsner Der Turm der blauen Pferde (nach Franz Marc, 1913), 2016 Farbstift auf Papier 200 x 130 cm Foto: Sebastian Schobbert © Slawomir Elsner
    Bayerische Staatsgemäldesammlungen