Film, Video
Stan Douglas
-
Ausstellung21.06.2014 - 12.10.2014
Nach seiner mehrfachen Teilnahme an der Biennale in Venedig und an der Documenta in Kassel ist Stan Douglas (* 1960) in der internationalen Kunstszene längst eine feste Größe. Man verbindet mit ihm filmische und installative Arbeiten, bei deren Montage der Zufall mitwirkt und verlorene Utopien des 20. Jahrhunderts thematisiert werden. In den letzten Jahren nahm die Fotografie im Schaffen des Kanadiers selbständigen Raum ein.
Die Ausstellung zeigt eine Auswahl seiner überwiegend großformatigen neuesten Arbeiten auf diesem Gebiet. Anders als in seiner frühen dokumentarischen Fotografie geht es Douglas heute um historische Themen wie Emanzipationsbewegungen am Beispiel Vancouvers in "Crowds and Riots" (2008) oder kulturelle Phänomene am Beispiel der Diskomusik in "Disco Angola" (2012). Für "Midcentury Studio" (2010-11) schlüpfte der Künstler selbst in die Rolle eines fiktiven Reportagefotografen, um seine Heimatstadt Vancouver in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu porträtieren.
Douglas wählt Darsteller, Kostüme und Beiwerk sorgfältig aus und greift auf Produktionsmittel der Filmindustrie zurück. Neuland betritt er mit der Theaterproduktion "Helen Lawrence": Das Spiel der Schauspieler auf der Münchner Bühne wird gefilmt und augenblicklich in eine computergenierte Umgebung eingefügt. "Helen Lawrence" wird zeitgleich zur Ausstellung als Gastspiel in den Münchner Kammerspielen zu sehen sein. Kurator ist León Krempel.
Derzeit steht Stan Douglas an einem ganz besonderen Moment seines künstlerischen Werdegangs: Seit 2008 hat er großformatige fotografische Werkserien produziert, und in den jüngsten Werken Musik, Film, Theater, Fotografie sowie digitale Formate aufs engste verwoben, so dass sie gleichzeitig mehreren Medien zuzuordnen sind.
Eine Hauptattraktion der Ausstellung ist die Video-Musik-Installation "Luanda-Kinshasa" (2013), eine fiktive Erzählung über den abwesenden Miles Davis. Neuland betritt Stan Douglas auch mit der Theaterproduktion "Helen Lawrence" (2014), bei der die Darbietung der Schauspieler augenblicklich in eine computergenerierte Umgebung eingefügt wird (zeitgleich zur Ausstellung als Gastspiel in den Münchner Kammerspielen).
Die Ausstellung vereint außerdem die neuesten, überwiegend großformatigen fotografischen Werkserien: "Crowds and Riots" (2008), "Interiors" (2009-2010), "Midcentury Studio" (2010-2011), "Malabar People" (2011) und "Disco Angola" (2012). Diese Fotografien inszenieren historische Momente, vorwiegend aus der Zeit vom Kriegsende bis Mitte der 1970er-Jahre: die Schwarzmarktkultur der Nachkriegszeit und den Übergang zu anderen Formen des Warenhandels, streikende Hafenarbeiter, Demonstrationen für die Redefreiheit sowie die Auseinandersetzung zwischen Hippies und Staatsmacht. Mit der Werkserie "Disco Angola", einer synchronen Betrachtung der Discokultur in New York und der spannungsgeladenen Atmosphäre in Angola, bindet Stan Douglas beide Kulturen in eine übergreifende Narration über Postkolonialismus ein. Auf diese Weise bereichert er die Präsentationen, die sich in jüngster Zeit im Haus der Kunst auf Konzepte der Entwicklung von Modernität konzentriert hatten, um die bewusst fragmentarisch angelegte Erzählung: "Man inszeniert ein Historiendrama in Bruchstücken, die einen dazu anregen, sich eine umfassendere Situation vorzustellen." (Stan Douglas)
"Midcentury Studio", 2010-2011
Nach dem Zweiten Weltkrieg widmeten sich u.a. ehemalige Soldaten der Fotografie, weil sie hofften, vom Fotojournalismus leben zu können. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür war Raymond Munro. Stan Douglas schildert dessen Werdegang so: "ein Veteran der kanadischen Luftwaffe, der 1949 beschwipst und mit einer Schlüsselbeinfraktur in Vancouver auftauchte, um sich bei einer Lokalzeitung als Luftbildfotograf zu bewerben. Munro war kein ausgebildeter Fotograf, aber er war sich sicher, dass er ein Flugzeug mit einer Hand fliegen konnte; er bekam den Job." Im Archiv der Fotoagentur Black Star in der Universität Ryerson schaute sich Stan Douglas zahlreiche Bilder aus den Jahren 1945 bis 1950 an. Sie wurden von Autodidakten mit einer unhandlichen 4 x 5" Laufbodenkamera mit Blitz, die langsam zu laden und mühselig einzustellen war, aufgenommen. Die Motive waren Verbrechen, Unfälle, Straßenszenen, Tiere, Mondscheinkneipen, berühmte Leute - alles, was dem Fotografen Geld einbrachte. Für die 29-teilige Schwarzweißserie "Midcentury Studio" schlüpft Stan Douglas in die Rolle eines solchen Fotografen der Nachkriegszeit, der für praktische Zwecke fotografiert und "schlechte Fotos, aber manchmal ... interessante Bilder" macht. In "Camouflage, 1945", 2011 etwa soll die Beleuchtung das Modell eigentlich besser sichtbar machen, tatsächlich aber macht sie es völlig unsichtbar. Und "Athlete, 1946" ist das Porträt eines Sportlers, bei dem das Geschehen am Bildrand vom Thema ablenkt, weil der Moment des Abdrückens ungeschickt gewählt ist.
So sorgfältig Stan Douglas die historischen Ereignisse auch recherchiert und so aufwändig er sie inszeniert - die Fotografien sind dennoch frei von jedem Anspruch auf Geschichtstreue oder Deutungshoheit. Sie geben sich als Mutmaßungen und Fragmente zu erkennen, als eine im Konjunktiv II vorgetragene Erzählung. Stan Douglas wendet eine literarische Technik an: Nach Recherche der historischen Fakten erschafft der Autor eine fiktive Hauptfigur und erzählt aus auktorialer Perspektive, wie es gewesen sein könnte. Auch ein entsprechend konstruierter Roman vermittelt den Eindruck, dass Wissen Stückwerk ist, und Realität instabil.
-
28.07.2023 - 27.10.2024Mit dem neuen, spielerischen Werk „Sitzung“ des renommierten italienischen Designers...
-
26.04.2024 - 13.10.2024Das sechs Jahrzehnte umfassende, transmediale Lebenswerk von Rebecca Horn (geb. 1944, Deutschland...
-
21.06.2014 - 12.10.2014
Oeffnungszeiten: Mo – So von 10 – 20 Uhr, Do 10 – 22 Uhr